Musik

Lina Cavalieri



Wenn man den Film „Die schönste Frau der Welt“ an­schaut, denkt man zunächst an ein Märchen im Holly­woodstil, was auch nicht ganz zu leugnen ist. Zumal der Film mit ei­nem Happyend zwischen der Cava­lie­ri und einem russischen Prinzen endet.
In Wikipedia heißt es nur: „Lina Ca­va­lieri hatte mit dem russischen Prinzen Alexander Wla­di­mirowitsch Ba­ria­tins­ki, späterer Schwiegersohn des Zaren Alexander II., eine Lie­bes­affäre“. Tatsächlich (*) soll Lina Ca­va­lie­ri aber „ihren" Prinzen wirk­lich ge­hei­ratet haben!

Man könnte die Lebensgeschichte von Natalina Cavalieri (1874-1944) wie ein Märchen be­trach­ten, oder vielleicht wie ein Melodrama, dessen Titel „Die schönste Frau der Welt“ sein könnte, denn so nannte man die berühmte ita­lienische Opern­sän­gerin.

Die Tochter eines Architekten aus den Marken und einer Schneiderin aus Vi­ter­bo (Latium) musste we­gen der schlechten wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se der Familie bereits als Kind arbeiten: als Flo­ris­tin, als aus­zubildende Schneiderin und in einem Zeitungs­verlag.
Die Ge­wohnheit des jungen Mädchens, während der Arbeit zu singen, brachte ihre Mutter dazu, sich an Arrigo Molfetta zu wen­den, der sich be­reit er­klärte, dem Mädchen einige Lieder beizubringen. Mit fünf­zehn Jahren de­bü­tier­te sie als „scian­tosa“ (nea­po­li­ta­ni­sche Ver­ball­hor­nung von „Chan­teuse“, wie man da­mals eine weibliche Person nannte, die in einem Varie­té­thea­ter oder ei­nem Café-chantant singt) in ei­nem kleinen Theater an der Piazza Navona. Dank ihrer wunder­schö­nen Stimme und ihrer beein­dru­cken­den Schönheit wurde sie bald sehr populär. Im Alter von 21 Jahren sang sie im Salone Mar­gherita (Rom), was für eine Lie­der­sän­ge­rin ein sehr an­gesehenes Ziel war. Sogar der große römische Dichter Trilussa begeisterte sich für sie: „Fior d' orchidea, il bacio dato sulla bocca tua lo paragono al bacio d'una dea“ („Oh Orchi­deen­blü­te, ein Kuss von deinem Mund gleicht dem Kuss einer Göttin“). In Paris trium­phier­te sie auf der Bühne der Folies Bérgères, indem sie nea­po­litanische Lieder sang.
Sie sang in London, Wien und Berlin. Ihr Ruhm reichte bis nach Russland, wo sie in Petersburg weitere Erfolge feiern konnte. Ihr Wunsch, ihre Karriere als „Chanteuse“ aufzugeben, um sich ausschließlich der Opernmusik zu widmen, wurde wegen ihrer Heirat (*) im Jahr 1899 mit dem rus­sischen Prinzen Ale­xan­der Wla­di­mi­rowitsch Ba­ria­tinsky (1870–1910), dem späterem Schwie­ger­sohn des Zaren Alexander II., vorübergehend ver­scho­ben. Nach wenigen Jahren wurde sie vom Za­ren, der ihre The­a­ter­ver­gan­gen­heit und ihre fort­ge­setz­ten Kontakte mit italie­ni­schen Künstlern in Petersburg nicht gutheißen wollte, zur Schei­dung gedrängt und sie verließ Russland. Aus dieser ersten Ehe hatte Lina einen Sohn, Alexander Bariatinsky Jr.

In Paris nahm die junge Cavalieri an der Comédie-Française ernsthaften Schauspiel- und Ge­sangs­un­ter­richt bei Maddalena Mariani Masi. Im Januar 1900 debütierte sie in Lissabon als Nedda in Leon­cavallosI pagliacci„. Sie ließ sich von den herben Kritiken an ihrer nicht genug trainierten Stimme nicht abschrecken und nahm weiter Ge­sang­un­ter­richt. Am 7. April desselben Jahres sang sie die Rolle der Mimì in „La Bohème“ im Berühmten Teatro San Carlo in Neapel, der Stadt, in der ihre Karriere als Sängerin begonnen hatte. Es wurde ein großer Erfolg. Die Tageszeitung „Il Mattino“ dekretierte, dass sich die Cavalieri „revanchiert" hatte.

Lina Cavalieri singt „Carmen" (1910)

Als Krank­heits­ver­tretung von Hariclea Darclée sang Cavalieri 1902 die Floria Tosca in der gleichnamigen Oper von Giacomo Puccini und erntete großen Bei­fall. Weitere Auftritte folgten, unter anderem in der Opéra von Monte Carlo, dem Théâtre Sarah Bern­hardt in Paris und an der Metropolitan Opera in New York.

In New York hatte Lina Cavalieri einen fes­ten Vertrag beim Ensemble der Me­tro­po­litan Ope­ra, der sie über vier Jahre die Treue hielt. Mit Enrico Caruso ver­band sie eine tie­fe Freund­schaft. Am Ende des Liebes­duetts in Fedora umarmte Lina Cavalieri einmal Ca­ru­so auf offener Bühne und küsste ihn mit solcher Lei­den­schaft, dass ihr Kuss als der erste „echte“ Bühnen­kuss in der Ge­schich­te galt. Die Ame­rikaner nannten sie seitdem „The Kis­sing Primadonna“. In der Saison 1909 – 1910 sang die Cavalieri an Oscar Hammer­steins Manhattan Opera Com­pany mit John McCormack. Zur selben Zeit hatte sie eine Lie­bes­ge­schich­te mit dem schwerreichen Robert Win­throp Chanler (1872–1930), Mit­glied der be­rühm­ten Astor-Familie, den sie heiratete. Die gemeinsame Ehe hielt nur acht Tage und Lina Cavalieri kehrte nach Eu­ro­pa zurück. Auf einer Russ­land-Tournee lern­te sie den aus Italien stammenden fran­zö­si­schen Tenor Lucien Mura­to­re (1878? 1954) ken­nen und lieben. Ihre Hochzeit im Jahr 1914 war „das" gesell­schaft­li­che Er­eig­nis in Paris. Muratore gelang, was ihren an­deren Ehe­män­nern nicht gelungen war: 1914 ver­ab­schie­de­te sich Lina Cava­lieri von der Opernbühne.
Dennoch verzichtete sie nicht darauf, die Auf­merk­sam­keit der Welt zu er­re­gen. Beim Aus­bruch des Ers­ten Weltkrieges ging sie in die USA und spielte in Hollywood unter dem belgischen Filmregisseur Edward José in einigen Filmen mit. Aber auf der Leinwand konnte sie nicht das gleiche Charisma entfalten wie auf der Bühne. 1920 verabschiedete sie sich endgültig von der Bühne mit den Wor­ten: „Ich verabschiede mich von der Kunst ohne viel Lärm nach einer viel­leicht zu viel Aufsehen er­re­gen­den Karriere„. 1921 zog sie nach Paris, wo sie ein Schönheitsinstitut eröffnete, das von ihrem Mythos einen gewissen Erfolg schöpfen konnte.
Cavalieri als Nedda in Leoncavallos „I Pagliacci"
Mitte der 1920er Jahre kehrte sie nach Italien zu­rück, wo sie Gesangs­un­ter­richt gab. Sie or­ga­ni­sier­te auch mehrere Liederabende für Wohltä­tig­keits­ver­an­stal­tungen in London, Madrid und Paris. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie als freiwillige Kranken­schwes­ter. Sie verbrachte ihre letzten Jah­re mit ihrem Impresario Arnaldo Pavoni. Bei einem alliierten Bomben­angriff am 6. März 1944 kamen Cavalieri und Pavoni in ihrer Villa in Fiesole bei Flo­renz ums Leben.

Gina Lollobrigida als Lina Cavalieri

1955 wurde Lina Cavalieri von Gina Lollo­bri­gi­da in dem Film La donna più bella del mondo“ (Die schönste Frau der Wert) verkörpert. Alle Lieder und die Opernarien der ''Tosca'' in die­sem Film wurden von Gi­na Lol­lo­bri­gi­da selbst ge­sun­gen, die in jungen Jahren eine Aus­bil­dung zur Opernsängerin absolviert hatte.

Die schönste Frau der Welt Lina Cavalieri: The Life of Opera's Greatest Beauty, 1874-1944
Die schönste Frau der Welt Lina Cavalieri: The Life
of Opera's Greatest Beauty

La Belle Èpoque war von ihrer Schönheit und Anmut fasziniert. Trotz ihrer be­scheidenen Herkunft hatte sie die Haltung und das Benehmen einer „Grande Dame„. Der italienische Dichter Gabriele d'Annunzio widmete ihr ein Exemplar seines Romans „Il pia­cere" und bezeichnete sie als „das höchste Zeugnis von Venus auf Erden„. Sie wurde von Enrico Caruso bewundert, von Giacomo Puccini, Matilde Serao, Francesco Paolo Michetti und einer un­end­li­chen Schar von Verehrern. Die Damen der „guten Ge­sell­schaft" hassten sie, die Frauen aus dem Volk be­nei­deten sie, die Männer aus ganz Europa ver­ehr­ten sie. Carolina Otero, die als „Belle Otéro“ be­kann­te spanische Tänzerin, Sängerin und Mä­tres­se un­zäh­li­ger ge­krön­ter Häup­ter und berühmter Per­sön­lich­keiten, soll sie aus Eifersucht sogar zum Duell he­raus­gefordert haben.

Zahlreiche Männer verliebten sich in die große Diva. Einer von ihnen war Da­vide Campari, der Sohn des Erfinders des berühmten Aperitifs. Der Le­gen­de nach soll der unsterblich verliebte Davide seiner ge­liebten Lina durch diverse Länder nachgereist sein, um sie für sich zu gewinnen. Zwar gab sie seinem Drängen nie nach, doch machte Davide dadurch den Aperitif Campari in der ganzen Welt bekannt.
Ein sizilianischer Herzog bot ihr an, sich ihr zwei Mo­nate lang als Chauffeur zur Verfügung zu stellen, gab dann aber auf, denn, wie er ihr in einem Brief schrieb: „Es ist eine Torheit, zu hoffen, von Euch geliebt zu werden, denn Ihr denkt und lebt nur für Eure Kunst“.

Es sind nur wenige Gesangsaufnahmen von Lina Cavalieri bekannt. Im Jahr 1910 nahm sie für Co­lum­bia Records mehrere Arien auf, 1916 sang sie zu­sam­men mit ihrem Ehemann Lucien Muratore für Pathé drei Duette, darun­ter das Liebesduett aus der Oper Roméo et Juliette von Charles Gounod.

(*) Quelle: Enciclopedia Treccani
 
 
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