Buntstifte: Ich war noch ein
kleines Kind, als ich zum ersten Mal den Name „Giotto"
hörte. Mit dem großen Maler der Renaissance
assoziierte ich ihn freilich
nicht, sondern mit einem Buntstift,
den wir Kinder benutzten, um unsere ersten „Kunstwerke"
aufs Papier zu bringen. Mit der Serie „Giotto" der
Firma FILA (Fabbrica italiana lapis ed affini) haben
wohl Generationen von italienischen Kindern gezeichnet.
Giottos O: Das nächste Mal, dass
ich mit Giotto von Bondone in Kontakt kam, war, als uns
der Lehrer während des Zeichenunterrichts eine Anekdote
(vermutlich eine Legende) aus Giottos Leben erzählte.
Die Überlieferung besagt, das Giotto dem Gesandten
des Papstes, der eine Probearbeit von ihm haben wollte,
freihändig einen so perfekten Kreis gemalt habe, wie
man ihn mit dem Zirkel nicht besser hätte machen können. Das sollte genügen.
Giotto di Bondone war ein italienischer Maler. Er gilt als
der entscheidende Wegbereiter des italienischen Rinascimento
(der Renaissance). Er kam circa 1267 in Colle di Vespignano,
bei Florenz, auf die Welt und starb 1337 in Florenz.
Dass Giotto,
während er beim Schafehüten auf Steine zeichnete,
vom Maler Cenni di Pepi, genannt Cimabue, entdeckt
worden sei, wie es Lorenzo Ghiberti und Giorgio Vasari berichteten,
gehört zu den vielen Legenden über diesen Künstler.
Diese besagt, dass Giotto eines Tages auf ein Kunstwerk seines
Meisters Cimabue eine kleine Fliege malte, die so täuschend
echt aussah, dass Cimabue sie mehrmals versuchte fortzuscheuchen,
ehe er die Illusion erkannte.
Belegt scheint aber zu sein, dass Giotto in die Werkstatt Cimabues eintrat. Auch stilistische Gründe sprechen dafür.
nach Rom,
wo er zehn Jahre lang tätig war; auch der König Robert
von Neapel nahm ihn in seine Dienste. Er wurde schließlich
als Architekt und Bildhauer berühmt, war als Schöngeist
und Dichter bekannt. Der Schriftsteller Cennino Cennini bewunderte
ihn als Überwinder der „maniera greca e bizantina"
(der griechisch-byzantinischn Art) und pries sein Können.
Polittico Baroncelli (Klicken = Vergrößern)
Bald erhielt Giotto Aufträge
nicht nur aus Florenz. Papst Benedikt XII. holte ihn Die Anerkennung seiner Zeitgenossen drückte sich auch in
materiellem Erfolg aus: im Gegensatz zu seinen Kollegen zählte
Giotto zu den Honoratioren, er besaß Immobilien in Florenz und in Rom. Nach 1320 kehrte er nach Florenz zurück, wo er in der Folge eine blühende Werkstatt unterhielt. 1334
wurde er leitender Baumeister am Dom von Florenz. Dessen Campanile
trägt seinen Namen, obwohl seine Nachfolger (die Fertigstellung
erlebte er selbst nicht mehr) von seinen Plänen erheblich
abwichen.
Giotto starb 1337 während der Arbeiten an einem Jüngsten
Gericht in der Bargello-Kapelle in Florenz.
Anbetung der Heiligen Drei Könige (Cappella degli Scrovegni in Padua)
Giotto wurde auch von Boccaccio im Decamerone und von Dante
Alighieri in der „Göttlichen Komödie“ erwähnt.
Der Dichter Petrarca besaß eine „Jungfrau mit Kind" von Giotto
und war davon überzeugt, dass jeder Kunstkenner
von ihr hingerissen sein müsste. Noch Michelangelo hat sich
von Giottos „Himmelfahrt des heiligen Johannes" in der Kirche
Santa Croce in Florenz anregen lassen, wie eine Studie von seiner
Hand zeigt.
50 Künstler, die man kennen sollte
Giotto und die Erfindung der dritten Dimension
Giottos gesamtes
Werk behandelt religiöse Themen. Giotto gilt auch als der
eigentliche Begründer der italienischen Malerei, speziell
der Freskomalerei. Sowohl in der Technik als in der Farbengebung
trat er als Neuerer auf. Als bedeutendste Aspekte seines Schaffens
gelten die hohe Natürlichkeit und Lebhaftigkeit seiner
Figuren. Giotto gilt als Wegbereiter der Perspektive.
Beweinung Christi (Cappella degli Scrovegni in Padua)
Giotto überwand die
ikonographischen Normen der byzantinischen Malerei, und leitete
die Entwicklung ein, die zum in Italien typischen Realismus
führte. „Giotto nun war es, der sich auf das Gegenwärtige
und Wirkliche hin ausrichtete... das Weltliche gewinnt Platz
und Ausbreitung, wie denn auch Giotto im Sinne seiner Zeit dem
Burlesken neben dem Pathetischen eine Stelle einräumte“
(Hegel).
Santo Stefano (Museo Horne)
Während für
die herkömmliche Malerei zweidimensionale Figuren charakteristisch
waren, die als Symbole vor einem mit Symbolen dekorierten flächigen
Hintergrund angeordnet waren, stellte Giotto plastisch modellierte
Individuen in einen perspektivischen Raum, die zueinander Beziehungen
unterhalten. Indem er seine Figuren mit Breite und Faltenwurf
ausstattete, verlieh er ihnen natürlich wirkendes Volumen
und Gewicht.
Giottos Hauptwerk ist
der große Freskenzyklus in der Scrovegni-Kapelle in Padua, der aus über 100 Szenen
Giotto. Die Cappella degli Scrovegni
aus dem Leben Mariä und dem Leben Jesu, insbesondere der
Passionsgeschichte besteht, und 1304-1306 entstanden ist. Er
verwendete dort auch gemalte Architekturelemente, die dem Betrachter
Nischen vortäuschen (trompe-l'oeil), in denen allegorische
Figuren zu stehen scheinen. Masaccio und noch Michelangelo wurden
direkt davon beeinflusst. Eine berühmte Szene aus diesem
Zyklus ist die Anbetung der Heiligen Drei Könige, in der
ein kometenähnlicher Stern am Himmel schwebt.
Die Leistung Giottos steht einsam da in seiner Zeit; erst
zwei Generationen später konnten Künstler der Frührenaissance
wie Andrea Orcagna, Altichiero da Zevio oder Masaccio an die
von ihm angestoßene Entwicklung anknüpfen.