Botticelli, Caravaggio, Giotto, Tiepolo, Tintoretto, Tiziano – große Meister der italienischen Malerei. Alles Männer. Auch die unbekannteren Maler waren fast durchwegs Männer. Und doch gab es einige Frauen, die malten, auch schon in der Barockzeit. Die Bekannteste von ihnen war Artemisia Gentileschi.
Artemisia Gentileschi (1593–1652) ist eine der bedeutendsten Frauengestalten in der Geschichte der Kunst. Sie setzte sich in der Zeit des italienischen Barocks als professionelle Malerin gegen alle Konventionen durch. Geboren wurde sie am 8. Juli 1593 in Rom. Ihr Vater war der Maler Orazio Gentileschi(1563-1639), der einer der ersten Vertreter des von Caravaggio begründeten Malstils des Hell-Dunkels war. Orazio Gentileschi war der telentierteste Anhänger von Caravaggio und eine hochrangige Künstlerpersönlichkeit. Die Mutter von Artemisia, Prudenzia Montone, starb bereits im Jahr 1605.
Artemisia stand oft Modell für ihren Vater, der ihr außergewöhnliches Talent bald erkannte. Orazio unterrichtete sie zusammen mit ihren drei Brüdern, wobei sie sehr bald mit ihrem Können ihre Geschwister in den Schatten stellte. Zu ihren frühen Arbeiten gehört „Susanna und die Alten" aus dem Jahre 1610.
Susanna und die Alten
Zum Lernen der Perspektive schickte sie ihr Vater zu seinem Freund Agostino Tassi. Sie war erst 17 Jahre alt, als sie von diesem vergewaltigt und durch ein falsches Eheversprechen getäuscht wurde. Orazio strengte daraufhin einen Prozess gegen den „Freund" an und initiierte damit einen der aufsehenerregendsten Prozesse des 17. Jahrhunderts, eine „cause célèbre„. Für Artemisia begann ein Spießrutenlauf: Sie wurde der Promiskuität und der Prostitution beschuldigt und es kam zu einer entwürdigenden gynäkologischen Untersuchung, um zu beweisen, dass sie nicht als Prostituierte tätig war. Tassi wurde schließlich – auch wegen Diebstahls von Bildern – zu acht Monaten Haft verurteilt.
'Zum Fürchten schön und tüchtig', Artemisia
Frauen, die die Kunst veränderten
Artemisia Gentileschi:
Leben und Werk
In dieser Zeit entstand auch Artemisias berühmtestes Werk: Judith enthauptet Holofernes. Der Tötungsakt in all seiner Dramatik und Grausamkeit wird hier von der Malerin sehr drastisch dargestellt.
Unmittelbar nach diesem Prozess zog sie, nachdem sie von ihrem Vater mit Pietro Vincenzo Stattiesi verheiratet wurde, nach Florenz. Dieser schuldete seinem Schwiegervater viel Geld. Vermutlich wurden ihm, nachdem er die verlorene Ehre von Artemisia wiederhergestellt hatte, diese Schulden erlassen.
In Florenz brachte Artemisia im Laufe von nur sechs Jahren vier Kinder zur Welt, lernte lesen und schreiben und machte sich bald einen Namen als Künstlerin. 1616 wurde sie als erste Frau in die Florentiner „Accademia delle arti del disegno“ aufgenommen, die älteste Kunstakademie der Welt, aus der 1784 die heutige „Accademia di Belle Arti di Firenze" hervorgegangen ist.
Selbstportrait mit Laute (Klicken = Vergrößern)
Intellektuelle und Künstler wie Cristofano Allori, Michelangelo Buonarroti der Jüngere oder Galileo Galilei gehörten zu ihren engsten Freunden. Persönlichkeiten wie die Großherzogin Christine von Lothringen und Cosimo II. de' Medici zählten zu ihren Auftraggebern.
Im Jahr 1623 war Artemisia schon so berühmt, dass sie nach Rom zurückkehren konnte, wo sie mehrere Auftraggeber hatte, unter anderen Kardinal Francesco Barberini, den Neffen von Papst Urban VIII. 1627 zog sie für drei Jahre nach Venedig, bis sie vor der Pest flüchten musste und sich in Neapel niederließ, einer der damals wichtigsten Städte Europas, die dreimal so groß wie Rom war. Auch hier wusste sie sich durchzusetzen und verkaufte mit Erfolg ihre Bilder.
1635 erhielt sie eine Einladung nach London an den Hof von König Karl I., wo ihr Vater inzwischen tätig war. Sie folgte dieser Einladung aber erst 1637 und unterstützte den schon kranken Vater beim Ausmalen des Queen's House in Greenwich. Bald danach starb Orazio.
Weitere Bilder
Danach kehrte sie wieder nach Neapel zurück und wurde besonders vom Mäzen Don Antonio Ruffo gefördert. Zu diesem Zeitpunkt änderte sich auch der Stil ihrer Malerei. Um 1650 verlor sich ihre Spur, sodass ihr genaues Todesdatum bis heute nicht bekannt ist. Ihr Sterbedatum wurde früher auf 1652/153 datiert. Neuere Erkenntnisse bezeugen, dass sie noch im Jahr 1654 Aufträge annahm. Es wird vermutet, dass sie 1656 während des verheerenden Ausbruchs der Pest in Neapel starb.
Artemisia Gentileschis Bilder zeichnen sich nach dem Vorbild von Caravaggio durch ihre lebensnahe Darstellung und dramatischen Lichteffekte aus, und gerade ihre starken Frauengestalten beeindrucken bis heute: die Heilige Katharina von Alexandrien, Jael, die dem Feind des Volkes Israel, dem kanaanitischen Feldherrn Sisara einen Zeltpflock in die Schläfe rammt, Kleopatra, die lieber durch einen Schlangenbiss stirbt als unglücklich verliebt zu sein, Salome, Esther – und, natürlich, Judith.
1916 widmete der italienische Kunsthistoriker Roberto LonghiArtemisia Gentileschi eine ausführliche Studie. Er war davon überzeugt, dass sie "die einzige Frau Italiens gewesen sei, die je gewusst habe, was Malerei und Farben seien."
Artemisia Gentileschi avancierte im Laufe der Zeit zu einer Art Vorzeigefigur des kunsthistorischen Feminismus und im Allgemeinen als „starke Frau" zu einem der Symbole des internationalen Feminismus, mit zahlreichen Gesellschaften und Vereinen, die ihren Namen tragen.
1997 wurde unter der Regie von Agnès Merlet in einer französisch-italienisch- deutschen Kooperation Artemisias Leben verfilmt mit Valentina Cervi in der Hauptrolle.
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