Gabriele Salvatores ist ein
Drehbuchautor und Filmregisseur, der sich hauptsächlich
mit Männergruppen beschäftigt, die
ihrer Vergangenheit verhaftet sind und erst im
Laufe ihrer Geschichte die Erinnerungen überwinden können
und sich neuen Zielen widmen.
Seinen ersten Spielfilm „Sogno di una notte d'estate“
(Traum einer Sommernacht) drehte er 1983. 1989 drehte er den
Film „Marrakech Express„. Seinen Durchbruch
hatte er 1991 mit „Mediterraneo“,
der den Oscar für den besten ausländischen
Film gewann.
1997 drehte er den Film „Nirvana". 2003 realisierte
er den Film „Ich habe keine Angst“, für
den er 2004 den italienischen Filmpreis für den besten
Jugendfilm erhielt, und der im gleichen Jahr in die internationale
Jury der Berlinale berufen wurde.
Regie: Gabriele
Salvatores
Drehbuch: Niccolò Ammaniti und Francesca Marciano,
Nach dem Roman Die Herren des Hügels von Niccolò
Ammaniti
Bildgestaltung: Italo Daniele Petriccione
Musik: Ezio Bosso und Pepo Scherman
Darsteller: Giuseppe Cristiano, Mattia Di Pierro, Dino Abbrescia, Aitana Sánchez-Gijón, Adriana Conserva, Diego
Abatantuono
In den 1970er
Jahren beunruhigten mehr als tausend Entführungsfälle die italienische Öffentlichkeit. Der Film „Ich
habe keine Angst“ („Io ho non paura“)
des italienische Regisseurs und Oscar-Preisträgers Gabriele
Salvatores verleiht diesem brisanten Thema neue Perspektive.
Es geht darin hauptsächlich um Freundschaft und Opferbereitschaft,
um den Glauben an Rettung und um die Überzeugung, auch
als unbedeutende Person die entscheidende Wende bewirken zu
können.
Der Film ist
ein atmosphärisch dichtes, im Kern intimes, aber dennoch
opulent inszeniertes Kinderdrama mit dem Salvatores einmal mehr
die Vielfältigkeit seines Könnens unter Beweis
stellt. In poetischen Landschaftsbildern und stimmungsvollen
Szenarien fängt er den schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens
ein. Er preist den Mut des Einzelnen, für Gerechtigkeit
einzustehen, und skizziert kritisch das ökonomische
Gefälle zwischen Nord- und Süditalien.
Der Regisseur hat seinen
Film als „eine Art Thriller" bezeichnet, er ist aber
vor allem ein Kinderfilm. Er wurde konsequent aus der Perspektive
eines Kindes gedreht: Das Gesichtsfeld der Kamera, die aus 1,30
Meter Höhe das Geschehen beobachtet, entspricht dem des
Hauptdarstellers. Es gibt keine Szene, in der der Hauptdarsteller,
der zwölfjährige Michele, nicht anwesend ist. Der
Zuschauer schlüpft auf diese Weise in Micheles Haut , sieht
alles mit an, was er selbst sieht und weiß nur das, was
der kleine Junge erfährt.
Die Handlung
Alles spricht von sommerlicher
Hitze. Die Sonne brennt erbarmungslos vom tiefblauen Himmel.
Die Kornfelder wogen in sattem Goldgelb, gesprenkelt mit Tupfern
roter Mohnblüten. Die
Farben der Häuser des Dorfes beschränken sich auf
braun und ocker. An einem heißen Sommertag der
siebziger Jahre vertreiben sich ein paar Kinder eines Dorfes
im süditalienischen Apulien ihre freie Zeit mit Spielen
und Herumtollen. Sie sehnen sich nach Abenteuern.
Alles deutet auf Sorglosigkeit, Friedlichkeit, Schönheit.
Doch die Idylle währt nicht lange. Bald wird die sanfte
Stimmung dieser Bilder gebrochen und die unschuldige Zeit der
Kindheit ihr jähes Ende finden.
Unter den Kindern ist auch Michele (Giuseppe Cristiano),
der, als er nach der verloren gegangen Brille seiner kleinen
Schwester sucht, im Erdboden, unter einer am Boden liegenden
Wellblechplatte ein tiefes Loch findet, eine Art kleine Erdhöhle.
Michele schaut neugierig hinein, und in der Dunkelheit entdeckt
er ein elendes menschliches Wesen, das er zunächst
für tot hält. Doch der Gefangene, ein Altersgenosse
Micheles, ist „nur" fast besinnungslos vor Hunger,
Durst, Angst und Schmerzen. Michele gibt ihm zu trinken,
woraufhin er zu einem Engel erklärt wird. Er verspricht,
dem Jungen zu helfen.
Trailer
Fortan versorgt Michele
den armen Jungen heimlich mit Essen und Wasser. Er erzählt
zu Hause niemandem davon, doch die Entdeckung lässt ihm
keine Ruhe. In seinen Träumen erlebt er Monster wie
Werwölfe und Riesen, die so groß wie Berge sind,
und er die „Herren der Hügel" nennt. Als er das
nächste Mal zum Gefangenen geht, merkt er, dass ihm jemand
zu essen gegeben hat. Außerdem steht ein Milchkrug
bei ihm, in dem Michele jenen seiner Mutter zu erkennen
glaubt. Im Haus seines Vaters treffen sich seltsame Besucher:
der sadistische Felice Natale und ein gewisser Sergio, ein alter
Verbrecher, der eine Pistole mit sich herum trägt.
Ich habe keine Angst [DVD]
Ich habe keine Angst (Niccolò Ammaniti)
Das Jahrhundert des Kinos/
100 Jahre Film: Italien
Michele freundet sich mit dem kleinen Gefangenen an. Aus
den Fernsehnachrichten erfährt er, dass
es sich um den Industriellensohn Filippo Carducci (Mattia
di Pierro) aus dem norditalienischem Pavia (Lombardei) handelt,
der vor einigen Monaten entführt worden ist. Die Mutter
des kleinen Filippo wendet sich flehentlich an seine
Entführer, ihren Sohn doch frei zu lassen. Diese kennen
aber kein Mitgefühl. Schlagartig wird dem kleinen Michele
klar, dass sein eigener Vater an der Entführung beteiligt
sein muss.
Bald kommt Michele auch dahinter, dass nicht nur sein Vater
an der abscheulichen Tat beteiligt ist, sondern
dass fast sämtliche Bewohner des süditalienischen
Fleckchens darin mitverstrickt sind ...
Der
Film entwickelt über weite Strecken eine immense Kraft,
die Zuschauer mitzureißen und emotional zu fesseln. Anfangs
zeigt er sich wie ein abenteuerlicher Kinderfilm,
dann wird er zum Krimi, um schließlich unvermutet sich
in einen actionreichen Thriller zu verwandeln. Und doch bleiben
die melancholischen Bilder der endlosen, abgeernteten
Hügel unter dem weiten Himmel atmosphärisch bestimmend.