Paolo Virzì (1964 in Livorno geboren) ist ein italienischer Drehbuchautor und Regisseur. Bereits mit seinem ersten Film „La bella vita“ gewann er die Preise „Ciak d'Oro“, „Nastro d'argento“ und den „David di Donatello„.
Für seinen Film „Tutta la vita davanti“ inspirierte sich Paolo Urzì am Buch „Il mondo deve sapere“ („Die Welt muss wissen“) der Autorin Michela Murgia. Der Film ist eine bitter-süße Komödie über die prekären Arbeitsverhältnisse im heutigen Italien – am Beispiel eines Call-Centers. Der Film ist leichte Unterhaltung, Gesellschaftskritik und Kunstwerk zugleich. Es ist eine Art Film, die nur in Italien entstehen konnte, ein Film, der an die Tradition der "Commedia all'italiana" anknüpft und diese in die Neuzeit transferiert.
Die junge Sizilianerin Marta (Isabella Ragonese) hat ihr Philosophiestudium mit Auszeichnung abgeschlossen und macht sich auf die Suche nach einer Arbeit. Auf alle ihre Bewerbungen bekommt sie aber eine Absage, was sie in ihrem Frust dazu veranlasst, ihre schwerkranke Mutter in Palermo aufzusuchen. Ihre Mutter, die bis zu ihrer Krankheit Lehrerin war, rät ihr, sich ebenfalls für den Lehrdienst zu bewerben, und gibt ihr den optimistischen Satz auf den Weg: „Du hast das ganze Leben noch vor dir."
Zurück in Rom bewirbt sich Marta also bei der Schulbehörde. Während sie auf die Ergebnisse des Wettbewerbs wartet, bemüht sie sich um einen Teilzeitjob, muss aber bald feststellen, dass sich auch das nicht als leicht erweist. Mit Mühe und Not und eher durch Zufall findet sie schließlich einen Job als Babysitter bei der jungen Sonia (Micaela Ramazzotti), die in einem Callcenter arbeitet und mit ihrer kleinen Tochter nicht zurecht kommt. Die beiden jungen Frauen freunden sich an. Als eines Tages ein Job im Callcenter Multiple Italia, wo Sonia arbeitet, frei wird, zögert Marta nicht lange.
Die Arbeit, die sie dort erwartet, konfrontiert sie aber mit einer Welt, die ihr bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt war. Bei der Telemarketing-Firma, die einen teuren und unnützen Wasseraufbereiter vermarktet, geht es amerikanischer zu als in den USA selbst. Die Menschen werden völlig gleichgeschaltet und sie müssen sich passgenau in die Philosophie des Unternehmens einfügen. Es werden frühmorgens gemeinsam Motivationslieder gesungen, und die Kollegen unterstehen einen ständigen Druck, die ihnen gesetzten Verkaufszahlen zu erreichen. Wer diese nicht schafft, wird fristlos vor die Tür gesetzt.
Das ganze Leben liegt vor dir (Trailer)
Die im telefonischen Service angestellten Mitarbeiter der Firma sollen mit potentiellen Kunden Termine ausmachen, die anschließend von den Vertretern wahrgenommen werden. Diese müssen dem Kunden das Gerät, das angeblich alles, aber in Wahrheit gar nichts kann, vorführen und verkaufen.
Martas Kolleginnen sind in der Hauptsache sehr einfache Mädchen, die in ihrer Freizeit ausschließlich von Reality Shows im Fernsehen und – vor allem – von ihren männlichen Kollegen sprechen.
Der Firmenboss Claudio (Massimo Ghini), wird von den Mädchen und den Vertretern gefürchtet und gleichzeitig wie ein Popstar verehrt. Ab und zu versucht der ziemlich unbeholfene Gewerkschaftsaktivist Giorgio Conforti (Valerio Mastandrea) die Belegschaft von Multiple Italia über ihre Rechte als Angestellte aufzuklären. Er hat damit aber wenig Erfolg, denn Martas Chefin Daniela (Sabrina Ferilli) versteht es sehr gut, die Mädchen gegen einander auszuspielen. Daniela lädt einmal auch Marta zu sich nach Hause ein, um sie zu belohnen und um sie ganz auf ihre Seite zu ziehen, denn auch sie muss um ihren Job fürchten.
Auch der Konzernchef Claudio will Marta für seine privaten Zwecke einspannen und offenbart ihr dabei ohne es zu wollen, seine ganzen persönlichen Probleme ....
Es soll an dieser Stelle weder die ganze Handlung, noch den Ausgang des Filmes aufgeführt werden. „Das ganze Leben liegt vor dir“ will die Probleme einer ganzen Generaton beschreiben. Er erzählt von den jungen Menschen, die studieren und – besonders im Fall der Geisteswissenschaften – auf die realen Anforderungen der Arbeitswelt überhaupt nicht vorbereitet sind, aber auch von der Unsicherheit, die die schlechter Ausgebildeten ein Leben lang begleitet und sie zu einem andauernden Überlebenskampf zwingt.
Paolo Virzis Film ist eine Satire auf das heutige „globalisierte" Italien, ein Land, in dem Geist und Gefühl kaum noch eine Rolle zu spielen scheinen, nur noch der schnelle Profit. Der Film ist eine fröhlich-böse, manchmal sehr schrille, aber immer leidenschaftliche Persiflage der Korrumpierbarkeit der Menschen, der Verdummung und Trivialisierung der italienischen Gesellschaft und der zunehmende Prekarisierung junger Menschen. Er ist aber zugleich ein Plädoyer für Menschlichkeit, inmitten einer nur noch an Effizienz und Profit ausgerichteten Arbeitswelt.