Anfang der 1960er Jahre steckte die italienische Filmwirtschaft in einer finanziellen
Krise. Inspiriert vom klassischen amerikanischen Western und
dem Erfolg der deutschen „Winnetou"-Filme, versuchten
sich einige junge italienische Autoren und Regisseure
an der Produktion ähnlicher Filme und schufen damit ein
neues Genre, das in die Geschichte eingehen sollte: den Italo-Western.
Der amerikanische Western wurde darin sowohl weiterentwickelt als auch parodiert. Obwohl
oft nach dem gleichen Grundmuster und mit geringem Budget gedreht,
bestechen diese Filme nicht zuletzt durch die Respektlosigkeit,
wie darin mit den traditionellen (US-amerikanischen) Western-Elementen
(insbesondere Heldentum, Ritterlichkeit, Altruismus)
umgegangen wird.
Der Italo-Western ist
oft von markigen Anti-Helden bestimmt. Gerechtigkeitssinn
und selbstloses Handeln, also die bis dahin geltenden Stereotypen
des amerikanischen Western, weichen hier Eigennutz und Habgier.
Besonders brutale Szenen, in denen Gewalt quasi als Selbstzweck
erscheint, unterscheiden den Italo-Western von seinen
amerikanischen Vorbildern. Der Held des
Italo-Western wird zumeist durch Rache oder dem Streben nach
Geld angetrieben. Diese Figuren sind ein Abgesang auf die
US-Westernhelden.
Italo Weastern Remix
Stilistisch sind die Italo-Western durch den Einsatz von
extremen Nah- bis Detailaufnahmen charakterisiert. Leinwandfüllende
Nahaufnahmen von Gesichtern, intensivierten beispielsweise
die Darstellung der Pistolen-Duelle, die vor allem Sergio
Leone in seinen Filmen inszenierte. Es ist der schnelle Wechsel
zwischen Gesichtern, Händen und Pistolen, szenisch intensiviert
von der typischen Musik des Italowestern.
Im Italo-Western treten
vermehrt Mexikaner auf und weniger Konflikte mit Indianern.
Dies ist zum einen durch die Drehorte u.a. in Spanien und die
leichter als Mexikaner auszugebenden südländischen
Schauspieler begründet, zum anderen aber auch durch die
zeitliche Einordnung der meisten Italo-Western, die vermehrt
nach der ersten Besiedlung des Westens spielen.
Sergio Leone - Spiel mir das Lied vom Tod
Der Filmmusikstil italienischer
Western wurde in den frühen Filmen Sergio Leones festgelegt. Ennio Morricones Musik, die markante Themen mit experimentellen
Arrangements kombinierte, wurde zum Markenzeichen des Genre
und unterschied sich dramatisch von orchestralen Soundtracks
amerikanischer Western der 1950er.
Zwei glorreiche Halunke (Sergio Leone)
Das Jahrhundert des Kinos 100 Jahre Film: Italien
Für eine Handvoll Dollar
Die Landschafts- und Außenaufnahmen
zu einer Vielzahl von Italowestern wurden in Spanien nördlich
von Almería (Andalusien) gedreht. Dort ähnelt die
Landschaft sehr stark dem Südwesten der USA. Drehorte mit
eher europäischem Aussehen (Karstlandschaften), auf die
regelmäßig zurückgegriffen wurde, befinden sich
in der Gegend um Madrid. Sehr oft wurden jedoch auch (meist
aus Kostengründen) italienische Drehorte verwendet, wie
z. B. Gran Sasso in den Abruzzen. Oftmals wurden sogar Kiesgruben
und Baggerseen als Ersatz für richtige Drehorte verwandt.
Dem Trashcharakter der Filme kam das natürlich entgegen.
Außenaufnahmen in
Western-Städtchen wurden sowohl in Kulissenstädten nahe bei Almería wie auch vor allem Innenaufnahmen
(Saloon, Hotel, Gefängnis etc.) in den Western-Sets
der römischen Filmstudios gedreht (Elios-Studios, Laurentiis-Studios
oder Cinecittà).
Heute noch können
die Westernstädtchen bei Almería sowie eine Reihe
weiterer, dort für Italo-Western entstandene Bauten bzw.
deren Reste besichtigt werden.
Nach dem Erfolg vor allem an den europäischen Kinokassen
erlangte der Italowestern auch langsam eine Wertschätzung
durch Kritiker und Filmhistoriker. Trotz des Fließbandcharakters
der Produktion entstanden Filmklassiker, die auch über
das Westerngenre hinaus als wichtige künstlerische und
die Filmästhetik prägende Filme in die Filmgeschichte
eingangen sind: Leones Spiel mir das Lied vom Tod und
Zwei glorreiche Halunken sowie Corbuccis Leichen
pflastern seinen Weg bilden dabei eine Gruppe von Kultfilmen,
die aus der Fülle an Italo-Western hinausstechen.