Musik

Tarantella



Salento
Salento ist der Name einer 100 km langen und 40 km breiten Halbinsel im äußersten Südosten Ita­liens. Der Salento wird auch als der „Absatz" des italienischen „Stiefels" bezeich­net. Administrativ gehört die Halb­insel zur Region Apulien und um­fasst die Provinz Lecce und Teile der Provinzen Taranto und Brindisi.
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Mit dem Begriff Tarantella ist eine Reihe von vor­nehm­lich in Süditalien behei­mateten traditionellen Tänzen gemeint, deren Musik sich durch einen schnel­len Rhythmus im 3/6- oder 6/8-Takt und durch die Begleitung von Tamburins auszeichnet.
„La Tarantata"
Der Name „Tarantella“ wurde wahrscheinlich von der Stadt Taranto (Ta­rent) in Apulien abgeleitet, im Volksmund heißt es aber, dass der Name von „ta­ran­ta“ stamme, einem Dialektwort für die „Lycosa Tarentula“, eine in Italien und im Mittelmeerraum anzutreffende giftige Spinne. Demnach bedeutete „Tarantella“ „kleine Tarantel„.
„La Tarantata"
Nach dem Aberglaube der alten Apulier konnte ein Biss der „Taranta“ böse Folgen haben, von denen hauptsächlich Frauen betroffen waren. Der Über­lieferung nach hatte das Gift dieser Spinne ver­schie­de­ne Wirkungen, wie übermäßige Erregung, Krämp­fe, physischen Schmerz aber auch Schwer­mut und psychisches Leid, bis hin zu hysterischen Anfällen, die nur durch einen rei­ni­genden Tanz, die „Taranta“, auch „Pizzica Taranta" genannt, geheilt wer­den konnten.

Der wilde Tanz galt als The­rapie: Während die Musiker im Haus der „Tarantata“ oder auf den Markt­platz spielten, tanzte die Ge­bis­sene bis zur völligen Erschöpfung, um das Gift aus dem Körper zu treiben. Dabei wurde die „Tarantata“ von den Anwesenden mit bestimmten Gegenständen kon­fron­tiert wie Schwertern, farbigen Bän­dern oder Spiegeln, die irgendwie an Ei­gen­schaften der Taran­tel erinnerten. Dieses Tarantismus genannte Phä­no­men existierte bis in die 1960er Jahre!
Tarantella abruzzese (Banda Piazzolla)
Die betroffenen Frauen glaubten zweifelsohne da­ran, dass ihre Symptome durch den Biss der Tarantel ausgelöst wurden. Wissen­schaft­ler ver­mu­ten hin­ge­gen, dass die Frauen unbewusst ihre unter­drück­ten Gefühle auslebten. Das erinnert an Freuds Theorien und ist glaubwürdig, wenn man weiß, dass die Frauen Süditaliens damals kaum das Recht hatten, ihr Haus zu verlassen, und dass die Ehen von den Familien ausgehandelt wurden, daher nicht selten ohne Liebe geschlossen wurden.
Laura Boccadamo tanzt die Pizzica
Wenn auch die Tarantella als therapeutischer Tanz begann, wurde sie spä­ter zum Tanz des Vergnügens und der Liebe. Die Taran­tella wurde sogar zum wichtigsten Tanz im Reich beider Sizilien, speziell in Neapel, das zur Zeit der Bourbonen die be­deu­tend­ste europäische Stadt nach Paris war.
Die Tarantella ist keine homogene und kompakte Tanzform, sondern nur eine Begriffsbezeichnung mehrerer Tänze, wie z.B. die Pizzica des Salento (Apu­lien), die aus Kampanien stammende Tam­muriata nera (Tammuriate sind „Tänze auf der Trommel“), die Villa­nedda aus Kala­brien, die Maran­za­na­ta ma­lan­drina (Sizilien), die Tarantella Molisana (Molise), Quadriglia (Basilikata) und die Curdedda (Sizilien).
Tarantella (Basilicata)
Im 19. Jahrhundert, zur Zeit der Romantik, griff die Instrumentalmusik diese Musikform auf. Die be­rühmteste „klassische" Tarantella ist wohl jene von Gioachino Rossini, genannt La danza. Weitere Komponisten, die sich mit der Tarantella befassten, sind zum Beispiel Schubert, Rossini, Liszt, Rach­ma­ni­now, Tschaikowski, Chopin.
„La danza" (Rossini)
Ottorino Respighi arrangierte im 19. Jahrhun­dert sein Ballett La boutique fan­tasque als Tarantella, Kurt Weill komponiert die Gerichtsszene seiner Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny als Ta­ran­tella. Das bekannte nea­po­le­tanische Volkslied „Funi­culì, Funiculà“, das eine Huldigung an den Vesuv ist, wurde 1880 anlässlich der Eröffnung der Seilbahn auf den Vesuv von Luigi Denza kom­po­niert. Es er­klingt auch in Form einer schnellen Tarantella.
Tarantella napoletana
Kuriosum: Eine Verulkung dieser Tarantella ist das bayerische „Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser“, der Dixie-Band Hot Dogs, das auf der Melodie von „Funiculì, funiculà“ ge­sungen wird.
In den 1960er Jahren war die traditionelle Musik durch die fortschreitende Amerikanisierung schon fast vollständig verdrängt. Bis der Komponist, Thea­termann, Autor und Opernregisseur Roberto de Simone in den 1970er Jahren mit seiner Oper „La Gatta Cenerentola“ nach einem Märchen in nea­po­li­ta­ni­schem Dialekt von Giambattista Basile aus dem 17. Jahrhundert die tra­di­tio­nel­le Tarantella wieder entdeckte und sie wieder salonfähig machte. Die Oper wurde in vielen Ländern der Welt aufgeführt und hatte einen großen Erfolg.
Massimiliano Morabito und Davide Conte spielen eine Pizzica.

Bis ans Ende der 1950er Jahre fand in Galatina (Apulien) am Festtag des Heiligen Paulus (29. Juni) eine Art gemeinsame Heilung von Krankheit statt. An die­sem Tag kamen zahlreiche Kranken aus der Umgebung zusammen, baten um Unter­stüt­zung und tanzten die Pizzica auf dem Kirchplatz und in der Kirche. Im Laufe der Zeit wurde aus dieser Ze­re­mo­nie eine Art Karneval, mit teils obszönen Aspekten. Sie wurde deshalb von der Kirche verboten.

Die Nacht der Taranta (Indiavolata) - Mauro Durante
Aber die tradition der Tarantella hatte immer schon Elemente, die auch die Jugendlichen von heute begeistern können. Wenn auch der wirkliche Ta­ran­tismo als Phänomen de Facto verschwunden ist, bleibt die Pizzica fest ver­an­kert in der Tradition und dem Folklore Apuliens, insbesondere des Salento.
Piglia 'o cane (Kampanien)
In den 1970er Jahren wurde die Musik und der Tanz der Pizzica wieder­ent­deckt. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Feste veran­stal­tet, die als Mit­telpunkt die Pizzica des Salento haben, unter an­de­ren die Notte della Taranta (Nacht der Taranta) in Galatina, die jedes Jahr Hun­derte von Be­gei­ster­ten und Neu­gierigen anzieht.
 
 
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