Il Decamerone/ das Dekameron |
Das Dekameron oder Il Decamerone
ist eine Sammlung von 100 Novellen, die der italienische Schriftsteller Giovanni
Boccaccio schrieb, vermutlich zwischen 1349 und 1351. Der Titel wurde zusammengestellt aus dem griechischen deka (=zehn) und hemera (=Tag), was aussagen soll, dass das Werk in zehn Tagen geschrieben wurde. |
Den Rahmen der Erzählungen legt Boccaccio in ein Landhaus auf den
Hügeln von Florenz, in dem sich drei jungen Burschen und sieben junge
Mädchen der gehobenen Schicht zurückgezogen haben, um der Pest zu fliehen, die 1348 Florenz heimsuchte. Die Schilderung der Pest wird von Boccaccio sehr realistisch und detailreich dargestellt. Im Landhaus
(das noch erhalten und heute Sitz eines Departments des European University Institute ist) verbringen die jungen Leute ihre Zeit nach festgelegten Regeln, mit Tänzen, Gesang und Spielen. Um sich in den Abendstunden zu beschäftigen, beschließen sie, dass
jeder der Anwesenden sich eine Geschichte ausdenken und sie den anderen vortragen musse. Nach zehn Tagen und den entsprechenden zehn mal zehn Novellen
kehrt die Gruppe wieder nach Florenz zurück. |
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Gemälde von John William Waterhouse
(Lady Lever Art Gallery, Liverpool) |
Bereits in der Renaissance war man der Ansicht, dass Boccaccios Dekameron ein Meisterwerk sei. Der Autor war der Wegbereiter der italienischen
Novelle und die Novellensammlung inspirierte zahlreiche Schriftsteller, wie beispielsweise Geoffrey Chaucer mit seinen Canterbury Tales und Miguel de Cervantes mit seinen Novelas ejemplares. |
Die Novellen des Dekamerons, die laut seiner eigener Aussage nicht von ihm selbst erfunden wurden, lassen sich auf die unterschiedlichsten Überlieferungen zurückführen, auf klassische,
orientalische und mittelalterliche Stoffe. Die Novellen sind sehr unterschiedlich, manchmal fein, manchmal derb, zuweilen ernst, meistens heiter und frivol, viele von ihnen sehr von Erotik geprägt, auch wenn sie für die heutigen Leser nicht mehr so „anregend" sind wie für jene des 14. Jahrhunderts. Zweifelsohne ist das Dekameron einer
der Ausgangspunkte erotischer Literatur in Europa. |
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Das Dekameron |
Das Dekameron [DVD]
(Pier Paolo Pasolini) |
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Im Folgenden eine der Novellen,
die unter dem Projekt Gutenberg veröffentlicht wurde. |
Pietro di Vinciolo geht aus
zum Abendessen. Seine Frau läßt unterdessen einen
jungen Burschen zu sich kommen. Pietro kommt wieder nach Hause
und entdeckt die Streiche seiner Frau; weil er aber selbst nicht
besser ist als sie, so verträgt er sich mit ihr in Güte. |
„In Perugia wohnte einmal ein reicher
Mann namens Pietro di Vinciolo, der vielleicht mehr in der Absicht,
andern ein Blendwerk vorzumachen und die böse Meinung zu
widerlegen, die jedermann in Perugia von ihm hatte, als aus
Neigung eine Frau nahm. Das Schicksal führte ihm auch ein
Weib zu, welches ein Seitenstück zu seinen eigenen bösen
Begierden war; denn die Frau, die er sich wählte, war ein
derbes rothaariges Weibchen von so warmem Blute, daß sie
lieber zwei Männer als einen genommen hätte, indes
sie einen Mann an ihm bekam, der sich mehr um andere Dinge als
darum bekümmerte, seiner Frau die Liebe zu geben, die sie
beanspruchen durfte. |
Da sie dieses gewahr ward und sich selbst
jung und hübsch, voll Kraft und Saft fühlte, so kam
es ihr im Anfang sehr ungelegen und gab nicht selten Anlaß
zu harten Worten und zu unangenehmen Auftritten zwischen ihr
und ihrem Ehemann. Als sie aber fand, daß sie dadurch
mehr aufgebracht als ihr Mann gebessert ward, dachte sie bei
sich selbst: Der Nichtswürdige vernachlässigt mich,
um in Holzpantinen durchs Trockne zu gehen; warum soll ich nicht
ebensogut ins Wasser gehen? Ich habe ihn geheiratet und ihm
eine große Mitgift zugebracht, weil ich glaubte, einen
Mann an ihm zu finden, der das begehre, wonach die Männer
begehren und begehren müssen. Wenn ich anders von ihm gedacht
hätte, so würde ich ihn nicht genommen haben. |
Er wußte,
daß er an mir ein Weib bekäme, und wenn ihm das nicht
behagte, so hätte er mich können sitzen lassen, wenn
er die Weiber nicht ausstehen kann. Das läßt sich
nicht länger aushalten. Wenn ich nicht hätte wollen
in der Welt leben, so wäre ich in ein Kloster gegangen;
wenn ich aber, um das Leben zu genießen, da ich nun einmal
lebe und leben will, solange warten wollte, bis ich bei diesem
mein Glück und mein Vergnügen fände, so könnte
ich grau darüber werden, und wenn ich alt würde, es
zu spät bereuen, daß ich meine Jugend ungenutzt hätte
verstreichen lassen. Er selbst zeigt mir den Weg, wo ich meinen
Zeitvertreib suchen soll, und was ihm zur Schmach und Schande
gereichen muß, das ist für mich noch eher erlaubt
und schicklich, denn ich handle dann nur den Gesetzen, er aber
ihnen und der natürlichen Ordnung zugleich zuwider. |
Nachdem das Weibchen dieses mehr
als einmal bei sich erwogen hatte, machte sie, um ihren Endzweck
heimlich zu erreichen, Bekanntschaft mit einer alten Frau, die
eine wahre heilige Verdiana zu sein schien, die die Schlangen
aus der Hand füttert. Mit dem Rosenkranz in der Hand war
sie bei allen Wallfahrten zugegen, sprach von nichts als von
dem Leben der Heiligen oder von den Wunden des heiligen Franziskus
und ward fast von jedermann selbst für eine Heilige gehalten.
Dieser offenbarte sie bei einer Gelegenheit, die ihr günstig
schien, ihr Anliegen ohne Rückhalt. |
„Bei Gott, der alles weiß,
mein Töchterchen," sprach die Alte, „du hast
wohl recht, und wenn du sonst keine Ursache dazu hättest,
so ist's doch von dir und von einem jeden jungen Weib wohlgetan,
daß ihr eure Jugendzeit nicht verschleudert; denn nichts
kann einen mehr schmerzen, wenn man's recht betrachtet, als
verlorene Zeit; und wozu, in Henkers Namen, sind wir weiter
nütze, wenn wir alt werden, als daß wir die Asche
in der Kohlenpfanne glimmend erhalten? Wenn das irgend jemand
weiß und davon erzählen kann, so bin ich's. Ich bin
eine von denen, die jetzt im Alter, da mir's nicht mehr helfen
kann, mit schweren und bittern Gewissensbissen bedauern muß,
daß ich die Zeit so verstreichen ließ; denn obwohl
ich sie nicht gänzlich verloren habe (du kannst wohl denken,
daß ich keine solche alberne Gans war!), so tat ich doch
nicht alles, was ich hätte tun können, und wenn ich
jetzt an die Vergangenheit denke, da, wie du siehst, keiner
mehr bereit wäre, Feuer aus mir zu schlagen, so weiß
der Himmel, wie es mich schmerzt. |
Mit den Männern ist es
ganz was anderes; die sind zu allerhand anderen Dingen nütze,
und überhaupt taugen die meisten im Alter mehr als in der
Jugend. Wir Weiber aber taugen zu nichts als hierzu und Kinder
zu gebären, und darum sucht man uns auch nur und geht uns
nach. Und sähest du's an nichts anderem, so könntest
du es doch daraus entnehmen, daß wir Frauen zu jederzeit
dazu bereit sind, die Männer aber nicht. Überdies
bringt ein Weib zehn Männer von Kräften, aber zehn
Männer vermögen nicht, eine Frau mattzusetzen. |
Weil
wir nun einmal zu diesem Endzweck geboren sind, was ich dir
wohl noch mit mehreren Gründen beweisen könnte, so
sage ich dir noch einmal, vergilt deinem Manne Gleiches mit
Gleichem, damit im Alter deine Seele dem Leibe keine Vorwürfe
zu machen habe. Man hat auf dieser Welt nichts als was man genießt,
besonders haben die Frauen noch mehr Ursache als die Männer,
ihre Zeit zu nützen; denn du siehst wohl, wenn wir alt
werden, so kümmert sich weder unser Mann noch andere Leute
mehr um uns, sondern man schickt uns in die Küche, um mit
dem Kater uns zu unterhalten und Töpfe und Näpfe zu
zählen, und sie machen noch wohl noch gar Gassenhauer auf
uns und singen: 'Für die jungen Weiber Liebe, für
die alten Weiber Hiebe'. |
Doch um dich nicht aufzuhalten, Töchterchen,
so will ich dir jetzt nur sagen, daß du niemand besser
wählen konntest als mich, um dir nach Wunsch zu dienen;
denn mir ist gewiß keiner zu fein, daß ich mich
nicht unterstände, ihm zu sagen, was nötig ist, und
keiner zu plump und ungeschliffen, daß ich ihn nicht abhobelte
und ihn dazu brächte, was ich will. Sage mir nur, wer dir
am besten gefällt, und laß mich handeln. Aber eines
muß ich dir sagen, mein Töchterchen, du darfst mich
nicht vergessen; ich bin ein armes Weib, und du sollst auch
von nun an Teil haben an all meinen Gebeten und Wallfahrten,
damit unser Herrgott deinen abgeschiedenen Verwandten Licht
und Kerze beschere." |
Die Alte schwieg, und die junge
Frau ward mit ihr handelseinig, indem sie ihr das Nötige
überließ. Sie beschrieb ihr einen jungen Menschen,
den sie oft in ihrer Straße gesehen hatte, gab ihr ein
Stück Pökelfleisch und ließ sie gehen mit Gott.
Nach einigen Tagen führte ihr die Alte den von ihr bezeichneten
Jüngling heimlich zu, und von Zeit zu Zeit wieder andere,
und das Weibchen ließ, bei aller Furcht vor ihrem Mann,
keine einzige gute Gelegenheit unbenutzt vorbeigehen. |
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Botticelli: Eine Novelle aus dem Dekameron
(Klicken, um zu vergrößern)
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Einmal war ihr Mann des Abends
bei einem seiner Freunde namens Ercolano zum Essen eingeladen;
sie befahl demnach der Alten, ihr einen Jüngling, der einer
der hübschesten und muntersten in Perugia war, zu bringen.
Die Alte richtete den Auftrag pünktlich aus. Als sie sich
eben mit dem jungen Menschen zu Tische setzen wollte, pochte
unvermutet ihr Mann an die Haustür. Sie war vor Schrecken
fast des Todes und suchte womöglich den Jüngling vor
ihm zu verbergen. Weil sie sich auf keinen besseren Platz besann
oder keinen andern hatte, so ließ sie ihn im Hausflur
neben dem Zimmer, wo sie aßen, sich unter einem Hühnerkorb
verstecken, der dort war, und warf den Überzug einer Matratze
darüber, die sie an diesem Tage hatte lüften lassen,
worauf sie geschwind ihrem Mann die Tür öffnete. „Nun,"
rief sie ihm entgegen, „hast du dein Abendessen so schnell
durch die Gurgel gejagt?" |
„Ich habe noch keinen Bissen
über die Zunge gebracht“, sprach Pietro. |
„Wie wäre das wohl zugegangen?"
fragte sie. |
„Das will ich dir sagen“,
antwortete Pietro. „Ercolano, seine Frau und ich hatten
uns kaum zu Tische gesetzt, so hörten wir neben uns jemand
niesen. Das erste und zweite Mal achteten wir nicht darauf;
als aber der Niesende sich zum dritten, vierten und fünften
Male hören ließ und gar nicht aufhörte zu niesen,
da nahm es uns endlich wunder, und Ercolano, der schon über
seine Frau gemurrt hatte, daß sie uns zu lange an der
Tür hatte warten lassen, fuhr auf und schrie wütend:
'Was ist das? Wer niest hier so?' Damit stand er auf und lief
einer Treppe zu, die nicht weit von uns war und unter welcher
sich ein Bretterverschlag befand, um Sachen aus der Hand zu
legen, wie man dergleichen zur Bequemlichkeit der Bewohner in
manchen Häusern hat. Weil es ihm schien, daß das
Niesen von dorther komme, so öffnete er den Verschlag,
und es schlug ihm ein unleidlicher Schwefeldampf entgegen. |
Ich
muß dir sagen, daß uns der Schwefelgeruch schon
vorher beschwerlich geworden war, und wie wir uns darüber
beklagten, sprach die Frau, sie hätte ihre Schleier geschwefelt,
um sie weiß zu bleichen, und hätte die Schwefelpfanne
unter die Treppe gesetzt, wovon es noch ein wenig röche.
Als der Dampf sich etwas verzogen hatte, guckte Ercolano in
den Verschlag hinein und wurde den gewahr, der geniest hatte
und noch immerfort nieste, weil ihm der Schwefeldampf den Atem
benommen und alles Niesens ungeachtet die Brust schon dermaßen
beklemmt hatte, daß er einige Minuten später nicht
mehr hätte niesen noch irgend etwas anderes tun können. |
Als ihn Ercolano gewahr ward, rief er: 'Ha, Weib! Jetzt seh'
ich, warum wir solange vor der Tür haben warten müssen,
ehe du uns aufmachtest; aber ich will nimmer froh werden, wo
ich dir das nicht bezahle.' Als die Frau diese Drohung hörte
und fand, daß ihre Sünde ans Licht gekommen war,
sprang sie vom Tische auf und lief Hals über Kopf von dannen,
ohne an eine Entschuldigung zu denken, und ich weiß nicht,
wohin sie gelaufen ist. Ercolano merkte nicht darauf, daß
seine Frau sich aus dem Staube machte, sondern rief dem Niesenden
immer lauter zu, er solle herauskommen; allein er mochte rufen,
solange er wollte, so rührte sich jener nicht, weil er
schon ohnmächtig geworden war. |
Ercolano schleppte ihn also
bei den Füßen heraus und sprang schon nach einem
Messer, um ihm vollends den Rest zu geben. Weil mir selbst aber
vor der Polizei bange war, so eilte ich hinzu und wehrte ihm,
daß er den Menschen um die Ecke brachte, noch ihm Schaden
zufügte. Indem ich nun den Burschen verteidigte und einen
Riesenspektakel machte, kamen auch die Nachbarn dazu. Diese
nahmen den jungen Mann, der sich nicht widersetzen konnte, und
führten ihn weg, ich weiß nicht wohin. Siehst du!
So wurden wir um unsere Mahlzeit betrogen, und ich habe sie
nicht nur nicht durch die Gurgel gejagt, sondern noch keinen
Bissen zum Munde gebracht, wie ich dir vorhin sagte." |
Die Frau merkte aus dieser Geschichte,
daß andere Weiber ebenso klug wären wie sie, obwohl
es nicht immer bei allen glücklich damit abliefe, und sie
hätte zwar gern der Frau des Ercolano das Wort geredet;
weil sie aber glaubte, sich von ihren eigenen Fehlern um so
eher weiß zu brennen, wenn sie fremde Sünden tadele
so rief sie: „Schöne Geschichten sind das, die ich
da höre! Das ist also das ehrbare fromme Weib; das ist
die keusche, treue Ehefrau, die ich immer für so heilig
gehalten habe, daß ich bei ihr hätte beichten mögen;
und was noch am schlimmsten ist: es sind ihre Jugendjahre schon
vorbei, und sie sollte anderen mit gutem Beispiel vorangehen. |
Verwünscht sei die Stunde, da sie geboren ward, und verwünscht
jede Stunde, die sie noch lebt, das treulose, ehrvergessene
Weib, diese ewige Schmach und Schande aller Weiber in der Stadt.
Sie tritt so ihre Ehre, die Treue, die sie ihrem Mann gelobt
hat, und die Achtung der Welt mit Füßen. Sollte sie
sich nicht schämen, ihren braven Mann, einen der ehrenhaftesten
Bürger, der ihr so gut begegnet, durch einen anderen beschimpfen
zu lassen und sich selbst mit in Schande zu stürzen? Ich
will vor Gott keine Gnade haben, wenn ein solches Weibsbild
Barmherzigkeit verdient; man sollte sie umbringen; man sollte
sie lebendig auf den Scheiterhaufen setzen und sie zu Asche
verbrennen." |
In dem Augenblick fiel ihr ihr
guter Freund ein, der nicht weit davon unter dem Hühnerkorb
saß, und sie fand deswegen für gut, ihren Mann zu
erinnern, daß es Zeit wäre, zu Bett zu gehen. Pietro,
der mehr Lust hatte zu essen als zu schlafen, fragte sie, ob
sie nicht etwas zum Abendessen bei der Hand hätte. |
„Abendessen?" sprach
sie. „Hat sich was mit dem Abendessen, wenn du nicht zu
Hause bist! Glaubst du, ich bin so eine wie das Weib des Ercolano?
Geh nur lieber zu Bett, das wird das beste sein." |
Von ungefähr waren desselben
Abends einige Bauern von Pietros Landgut zur Stadt gekommen,
die ihm Feldfrüchte gebracht und ihre Esel in einen Stall
gezogen hatten, der an den Hausflur stieß, in welchem
der junge Mensch saß. Da sie vergessen hatten, ihr Vieh
zu tränken, so zog einer von den Eseln, den der Durst anwandelte,
den Kopf aus der Halfter, ging aus dem Stalle heraus und schnüffelte
allenthalben nach Wasser herum, und so kam er gerade an den
Hühnerkorb, unter welchem der Jüngling verborgen lag.
Weil dieser sich auf allen Vieren niederducken mußte,
so ragten die Finger seiner einen Hand ein wenig unter dem Korbe
hervor, und sein Glück oder sein Unglück, wie man
es nehmen will, fügte es so, daß ihn der Esel darauftrat
so daß er vor Schmerz laut aufschrie. Den Pietro nahm
das gewaltig wunder, weil er merkte, daß die Stimme sich
in seinem Hause hören ließ. Er ging also hinaus in
die Kammer, und da der arme Schelm, dem der Esel die Fingerspitzen
noch immer festklemmte, fortfuhr zu winseln, so rief er: „Wer
da?" |
Ging nach dem Hühnerkorbe,
hob ihn auf und fand den jungen Menschen darunter, der außer
dem Schmerz, den ihm der Tritt des Esels verursachte, auch noch
vor Furcht zitterte, daß Pietro ihm übel mitspielen
würde. |
Als Pietro in ihm einen erkannte,
dem er aus seiner lasterhaften Neigung heraus schon lange nachgestiegen
war, fragte er ihn: „Wie kommst du hierher?" |
Der Jüngling antwortete ihm
aber nicht auf seine Frage, sondern bat ihn nur um Gottes willen,
Barmherzigkeit mit ihm zu haben. |
„Steh auf“, sprach Pietro,
„und fürchte nichts von mir - aber sage mir aufrichtig,
wie und warum du hierher gekommen bist." |
Der arme Junge beichtete ihm alles.
Pietro war über den Fund ebenso froh, als seine Frau bekümmert
war. Er führte den Jüngling bei der Hand in das Zimmer,
wo seine Frau in größten Ängsten saß.
Pietro setzte sich ihr gegenüber und sagte: „Du schimpftest
ja eben erst so unbarmherzig auf die Frau des Ercolano und sagtest,
man müsse sie verbrennen, weil sie euch allen zum Schandfleck
gereiche; warum vergaßest du aber, dich selbst mit einzuschließen?
Oder wenn du dazu keine Lust hattest, wie durftest du es dann
wagen, so von ihr zu reden, da du doch wußtest, daß
du selbst es nicht besser machtest? Dich bewog wahrlich nichts
anderes als der Hang, der euch allen gemein ist, daß ihr
gern die fremde Schuld zum Deckmantel eurer eigenen gebraucht.
Möchte das Feuer vom Himmel fallen und euch alle verzehren,
ihr Natterngezücht!" |
Als die Frau merkte, daß
die erste Hitze ihres Mannes in Scheltworten verdampfte, und
daß er eben nicht so gar böse darüber war, einen
hübschen Knaben bei ihr zu finden, gewann sie wieder Mut
und sagte: „Ich glaube wohl, daß du das Feuer vom
Himmel über uns herunter wünschest, weil du deine
Frau so lieb hast, wie der Hund den Knüppel; aber beim
Himmel, dein Wunsch wird dir nicht erfüllt werden! Doch
ich möchte wohl wissen, worüber du dich so zu beklagen
hast; denn es wäre wahrhaftig sehr artig von dir, wenn
du mich mit der Frau des Ercolano über einen Kamm scheren
wolltest, die ein altes, scheinheiliges Mensch ist und dennoch
von ihrem Mann alles hat, was sie nur wünschen kann, und
er ihr begegnet, wie es einer Frau gebührt. Aber ich armes
Weib habe es nicht so gut; denn du gibst mir zwar Kleider und
Schuhe, aber du weißt leider wohl, wie es um das übrige
steht, und wie lange es her ist, daß du nicht mehr bei
mir gelegen hast; da ich doch lieber barfuß und in Lumpen
gehen möchte, wenn ich von dir nur im Bett gut behandelt
würde, als alle schönen Sachen von der Welt haben
und mir so von dir begegnen lassen muß, wie du mich behandelst.
Denn ich muß dir's nur geradeheraus sagen, Pietro, ich
bin eine Frau, so gut wie jede andere, und habe dieselben Neigungen
und Bedürfnisse wie andere Frauen, und wenn ich finde,
daß du sie nicht befriedigst, so hast du keine Ursache
zu schelten, wenn ich mich anderswo versorge. Zum wenigsten
mache ich dir nicht die Schande, daß ich mich mit Straßenjungen
oder mit liederlichen Lumpenkerlen abgebe." |
Pietro merkte wohl, daß seine
Frau nicht leicht wieder aufhören würde, da ihr die Zunge einmal gelöst war. Weil er sich nun wenig aus ihr
machte, so sprach er: „Schweige nur, Frau, ich will dich
schon zufriedenstellen. Tue mir nur jetzt den Gefallen, uns
etwas zu essen zu geben; denn ich denke, dieser Bursche hat
wohl ebensowenig zu Nacht gegessen als ich selbst." |
„Freilich nicht," sprach
die Frau; „denn als dich der Unstern herführte, wollten
wir uns eben zu Tische setzen und essen." |
„So spute dich nur,"
sprach Pietro, „daß wir zu essen bekommen; ich will
hernach schon alles so einrichten, daß du dich nicht sollst
zu beklagen haben." |
Als sie ihren Mann besänftigt
sah, erhob sie sich, ließ schnell den Tisch decken und
das Essen auftragen, das schon früher hergerichtet war.
Dann ließ sie es sich mit ihrem lasterhaften Mann und
dem hübschen Knaben gut schmecken. |
Wie Pietro nach dem Abendessen
seine Einrichtung traf, um alle drei zufriedenzustellen, das
ist nicht bekannt. Nur soviel weiß man, daß am
nächsten Morgen der Junge, als er heimging, sich lange
nicht darüber klar werden konnte, ob die Frau oder der
Mann ihm eifriger Bescheid getan. Genug, es soll damit gesagt
sein, daß ein jeder suche, Gleiches mit Gleichem zu
vergelten, und wenn er's nicht auf der Stelle tun kann, so
warte er, bis die Gelegenheit kommt; denn wie man in den Wald
ruft, so schallt es wieder heraus." |
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