Besonders sympathisch fand ich ihn nicht.
Und ich stand auch nicht allein mit dieser Meinung. Doch man
konnte ihn nicht ignorieren. Moravia war politisch und literarisch
eine der wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten
Italiens.
Alberto Moravia, geboren am 28. November 1907 als
Alberto Pincherle, war einer der führenden italienischen
Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Die Hauptthemen seiner
Romane waren Sexualität, soziale Entfremdung und der Existenzialismus.
Alberto Pincherle kam als
Sohn eines aus Mähren (Moravia) eingewanderten Architekten namens Pincherle in einer jüdisch-katholischen Familie im bürgerlichen
Wohnviertel Parioli auf die Welt. Im Alter von neun Jahren erkrankte er an Knochentuberkulose und verbrachte deshalb zwischen 1916 und 1925 viel Zeit in Sanatorien.
1925 begann er, sein erster Roman „Die Gleichgültigen" (Gli
indifferenti) zu schreiben, der 1929 erschien und in Italien ein großer Erfolg
wurde. Das Buch schildert das Leben der verwitweten Mariagrazia
Ardengo, ihres Liebhabers Leo und ihrer beiden gerade erwachsen
gewordenen Kinder. Die Teilnahmslosigkeit und die Lethargie der
Hauptpersonen bestimmen den Ton des Buches. In diesem Roman gelingt es Moravia, die Kleinlichkeit und Heuchelei einer bourgeoisen Gesellschaft darzustellen, die nicht authentisch ist und im dauernden Widerspruch steht, zwischen dem, was sie denkt und was sie sagt.
In den 1930er Jahren war Moravia als Auslandskorrespondent
für verschiedene italienische Tageszeitungen. Er
kam dabei in Konflikt mit dem faschistischen Regime und
dem Vatikan, sodass er seine Arbeit verlor.
So zog er sich auf Capri zurück, wo er von
1941 bis 1943 lebte und sich seiner schriftstellerische Arbeit hingab.
Und dennoch leben sie [DVD]
Nach der Landung
der Alliierten in Italien im Jahr 1943 und der Besetzung Roms durch die Deutschen flüchteten viele Menschen in die Berge der Ciociaria (Latium) weil sie befürchteten, von den Deutschen verhaftet
zu werden. Auch Moravia flüchtete mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Elsa Morante, nach Sant'Agata, einem Bergdorf der Ciociaria, wo er bei der Familie Marrocco-Mirabella unterkam. Aus dieser Erfahrung und aus der Beziehung zu dieser Familie entstand der Roman Cesira (La ciociara). Der Roman wurde 1960 unter dem Titel „Und dennoch leben sie" von Vittorio de Sica verfilmt (mit den Darstellern Jean-Paul Belmondo undSophia Loren).
„La ciociara“ (Und dennoch leben sie)
1944 erschien „Agostino“,
vielleicht Moravias schönster Roman. Mit großer Eindringlichkeit zeichnet
der Roman die innere Welt eines dreizehnjährigen,
wohlbehüteten Jungen, der mit seiner mit seiner
Mutter, einer jungen Witwe einen Strandurlaub verbringt. Moravia erzählt hier von pubertärer Überforderung und dem Beginn der Loslösung von den Eltern und die Entdeckung der Sexualität.
Nach dem Krieg arbeitete Moravia wieder als Journalist
und schrieb auch Theaterstücke. 1947 erschien sein Roman „Die Römerin“. Deren Protagonistin ist eine einfache Frau aus der römischen
Unterschicht. Adriana wird schon als junges
Mädchen von ihrer Mutter als Modell an zweitklassige
Maler verkauft. Adriana fügt sich diesem
Schicksal. Dieses Buch wurde wegen Obszönität von
der katholischen Kirche 1952 auf den Index gesetzt.
Ach, die Frauen:
Die schönsten Erzählungen
1952 bekam Moravia den bedeutenden
„Premio Strega“ für seine „Erzählungen“
(1952), womit der Anfang für die Übersetzung seiner
Werke in andere Sprachen gesetzt wurde und für deren Verfilmung.
Mit den 1954 und 1959 erschienenen Bänden von Moravias „römischen Erzählungen„ war der Autor auf dem Höhepunkt seiner Erzählkunst:
In eindringlichen Momentaufnahmen berichtete
er genau, humorvoll und liebevoll
aus dem Leben der kleinen Leute Roms.
Mit „La noia“
(Die Langeweile) schuf Moravia 1960 noch einmal einen Welterfolg.
Er variierte hier wieder das Thema der Gleichgültigkeit,
das seine frühen Romane charakterisierte. Sexualität wird in diesem Roman auf eine beziehungslose Triebhaftigkeit reduziert.
„Die Verachtung“
Nach der Trennung von seiner
Frau 1962 lebte er lange Zeit mit der Schriftstellerin
Dacia Maraini zusammen. 1986 heiratete er die um 47 Jahre jüngere Journalistin Carmen Llera, was für großes Aufsehen sorgte.
Alberto Moravia war sehr
mit Pier Paolo Pasolini befreundet, mit dem er Anfang der
1960er Jahre eine Indienreise unternahm. 1982 fuhr Moravia nach Hiroshima und schrieb über die Atombombe
in der italienischen Zeitschrift Espresso.
Wie der italienische Film der Nachkriegszeit
waren Moravias Romane stark vom Neorealismus geprägt. Auch im demokratischen
Italien eckte Moravia immer wieder an. Denn der
als bedeutender Vertreter des psychologischen Realismus
war wegen seiner offenen Darstellung von
Sexualität sehr umstritten. Vor allem der Vatikan, der seine Bücher
auf den Index setzte, lehnte ihn deshalb ab.
Moravia starb am 26. September
1990 in seiner römischen Wohnung am Tiberufer
an einem Herzversagen.
Mit rund elf Millionen in Italien und im Ausland verkauften Exemplaren seiner Bücher war Moravia auch der finanziell erfolgreichste Autor der italienischen Nachkriegsliteratur.
Seine
Romane und Erzählungen wurden schon früh verfilmt.
Zum Klassiker avancierte der Spielfilm „Die
Verachtung“ (1963) unter der Regie von Jean-Luc
Godard.
Wichtigste
Verfilmungen
1953
„Gefährliche Schönheit"
(La provinciale) Regie: Mario Soldati.
1960
„Und dennoch leben sie" (La
Ciociara) mit Jean-Paul Belmondo, Sophia Loren und Raf Vallone Regie: Vittorio de Sica nach dem Roman Cesira.
1963
„Die Verachtung" (Le mépris)
mit Brigitte Basrdot und Michel Piccoli Regie: Jean-Luc Godard nach dem gleichnamigen
Roman.
1963
„Gestern, heute und morgen" (Ieri,
oggi, domani) Regie: Vittorio de Sica
zweite Episode nach der Erzählung Troppo ricca.
1963
„Die Nackte" (La noia)
Regie: Damiano Damiani.
1970
„Der große Irrtum" (Il
conformista) Regie: Bernardo Bertolucci.