Lange ist sie her: meine erste Segeltörn. Wir umrundeten mit einer Zweimast-Segelyacht mit einem 50-PS-Dieselmotor und bis zu 80 qm Segelfläche die Insel Sizilien. Sie trug den Namen eines berühmten Sizilianers, Cagliostro. Stolz trugen der Skipper und wir unsere Cagliostro-Pullover. Ich wusste damals nur, das dieser Mann als Magier und Betrüger in die Geschichte eingegangen war.
Giuseppe Giovanni Battista Vincenzo Pietro Antonio Matteo Balsamo, besser bekannt unter dem Namen Alessandro, Graf von Cagliostro oder einfach als Cagliostro (1743 - 1795) war ein berühmter italienischer Alchemist, Abenteurer und Hochstapler. Nach einem umherstreifenden Leben, das er in den besten Kreisen der europäischen Gesellschaft verbrachte, wurde er schließlich von der Inquisition der Häresie angeklagt und zum Tode verurteilt, ein Urteil, das in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt wurde.
Giuseppe Balsamo wurde am 1. Juni 1743 als Sohn des sizilianischen Tuchhändlers Pietro Balsamo in Palermo (Sizilien) geboren. Sein Vater starb kurze Zeit nach seiner Geburt. Giuseppe wurde daraufhin im Waisenhaus von San Rocco aufgenommen, aus dem er mehrmals floh, was ihn bereits damals als Schwererziehbarer und Rebell kennzeichnete. 1756 trat er in den Orden der Fatebenefratelli im Kloster Caltagirone ein. Als Gehilfe des Klosterapothekers erwarb er seine ersten pharmakologischen Kenntnisse, die ihm später bei seinen „Wunderkuren" nützlich werden sollten. Es ist nicht klar, ob er aus dem Kloster floh oder ob er wegen Fehlverhaltens ausgewiesen wurde. Zurück in Palermo zeichnete er sich durch ein von Betrügereien geleitetes Leben aus.
Als schließlich der jüdische Goldschmied Marano Anklage wegen Diebstahls und schwerer Körperverletzung erhob, sah sich Balsamo dazu veranlasst, Palermo auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Er verließ Sizilien und reiste nach eigenen Angaben nach Griechenland, Ägypten, Arabien, Persien, Rhodos, wo er angeblich Unterricht in Alchemie bei dem Griechen Althotas nahm, einem Mann, von dem Cagliostro selbst, immer ehrfurchtsvoll, als seinen Ausbilder und geistigen Lehrer sprechen sollte. Schließlich kam er nach Malta, wo er sich beim Großmeister des Malteserordens als Graf Cagliostro vorstellte. Weil dieser auch an der Alchemie interessiert war, besorgte er Cagliostro Empfehlungen für die berühmten Häuser von Rom und Neapel.
Cagliostro: Aufzeichnungen
eines Magiers
Das Geheimnis des Cagliostro: Roman
1768 war Cagliostro in Rom, wo er die erst 14-jährige schöne, aber skrupellose Lorenza Serafina Feliciani heiratete. Balsamo liebte seine junge Frau voller Leidenschaft, was ihn aber nicht daran hinderte, sie an wohlhabende Männer als Gespielin zu verkaufen. In Rom lebte Cagliostro von Dokumentenfälschung, bis er angezeigt wurde und flüchten musste. In Bergamo wurde er aus dem gleichen Grund festgenommen, es gelang ihm jedoch die Flucht. Von da an reiste er mit Lorenza nach Spanien, England, Frankreich und ins Baltikum unter verschiedenen Namen. 1771 verkaufte er in London und ParisLiebestränke, Jugendelixiere und alchemistische Pulver.
In London setzte auch seine vermeintliche Karriere als Freimaurer ein und er nahm den Fantasietitel „Großkophta" an. Sein journalistischer Gegner Théveneau de Morande behauptete später, Cagliostro sei 1777 in der Londoner Freimaurerloge Esperance Lodge No. 289 in der King’s Head Tavern in der Gerard Street, Soho initiiert worden. Tatsächlich finden sich keinerlei Beweise dafür.
1779 schlugen die Cagliostros ihr Quartier in St. Petersburg auf. Katharina die Große misstraute dem windigen Cagliostro. Dennoch fand der „Graf" Zugang zum Hochadel. Neben Spiritismus und Alchemie befasste er sich auch mit Medizin. Als er 1780 kostenlos die Armen behandelte und dadurch großen Zulauf als Heiler fand, hatte er den Bogen überspannt. Er stand im Verdacht, ein Republikaner zu sein. Aber bevor Katharina ihn verhaften lassen konnte, reisten Giuseppe und Serafina nach Warschau ab.
Cagliostro (Film mit Jean Marais)
Weiter ging es nach Straßburg, ehe er in das damalige kulturelle Herz Europas, nach Paris, aufbrach. Dort fand er schnell Zugang zum sinnesfreudigen Kardinal de Rohan und wurde ungewollt in die sogenannte Halsbandaffäre (l’affaire du collier de la reine) verwickelt. Diese Affäre war ein Betrugsskandal am französischen Hof in den Jahren 1785 und 1786, in den auch Königin Marie Antoinette verwickelt wurde. Diese Affäre hätte Cagliostro fast Kopf und Kragen gekostet. Obwohl es ihm gelang, seine Unschuld zu beweisen, verbannte ihn Ludwig XVI. des Landes.
Schon vor Cagliostros Verwicklung in die Halsbandaffäre hatte Goethe sich intensiv mit dem Hochstapler auseinandergesetzt. Gespannt folgte er dem Prozess und studierte selbst unwichtige Prozessschriften im Detail. In dieser Zeit entstand bei dem großen Dichter die Idee zu einem Lustspiel. In Weimar formte Goethe den Stoff dann zu "Der Groß-Cophta".
Der Groß-Cophta: Ein Lustspiel von Johann Wolfgang
von Goethe
Am 16. Juni 1786 landeten Cagliostro und seine Frau in Dover. In England wurde der Feind des politischen Erzfeindes Frankreich zunächst mit offenen Armen aufgenommen. Für die „Times" war Cagliostro „ein herausragender Gelehrter, der nicht mit Blick auf den Gewinn, sondern allein aus dem Grundsatz der Humanität praktizierte„. Es war eine Glanzzeit für Cagliostro, die Londoner Society lag ihnen zu Füßen. Doch Frankreich sah Cagliostros Aufstieg mit Argwohn und setzte Théveneau de Morande, den Herausgeber des angesehenen „Courier de l'Europe", auf ihn an. Théveneau stöberte in der bewegten Vergangenheit des Sizilianers herum und brachte allerlei Schmutz zutage. Letztendlich musste Cagliostro auch aus England fliehen.
Es begann der unvermeidliche Abstieg. Er gelangte in die Schweiz, wo er sich eine Zeit lang dem Herstellen einer Tinktur zur Verjüngung widmete. Aber inzwischen hatten sich europaweit seine Gegner formiert. Théveneau verbreitete die Tatsache, dass der „Graf" niemand anderer als ein sizilianischer Gossenjunge gewesen sei. In St. Petersburg leitete Katharina die Große höchstpersönlich die Kampagne gegen ihn.
So zog Cagliostro wieder mit seiner Frau nach Italien. Dort begann das Finale im Leben des Giuseppe Balsamo. Eine Zeit lang gelang es ihm, sich als ergebener Katholik beim Klerus einzuschmeicheln. Gleichzeitig unterhielt er aber enge Kontakte zu italienischen Freimaurern. Sein Doppelleben flog auf. Serafina selbst hatte ihn der Inquisition verraten. 1789 wurde er von der Inquisition verhaftet, in der Engelsburg eingesperrt, der Häresie angeklagt und zum Tode verurteilt. Weil er auf mildernde Umstände hoffte, gab Cagliostro freimütig Auskunft über seine freimaurerischen Erfahrungen. Die Kirche hatte schließlich große Angst vor dem revolutionären Gedankengut der Freimaurer. So bewirkte Cagliostro, dass das Urteil 1791 in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt wurde. Seiner Frau nutze der Verrat nicht, denn sie wurde für immer ins Kloster Santa Apollonia verbannt. Cagliostro starb am 26. August 1795 im Gefängnis von San Leo bei San Marino an den Folgen eines Schlaganfalls.
Graf Cagliostro war ein Mann mit Charisma. Sein Blick soll von „übernatürlicher Tiefe, ganz Feuer und doch ganz Eis" gewesen sein und seine „Stimme schmeichelte wie eine in Seide gehüllte Trompete", so die Beschreibung einer französischen Adligen.