Geschichte | | Essen/ | | Regionale Küche | | Film/Medien | | Literatur/Presse | ||
Landschaften | | Trinken | | Persönlichkeiten | | Nützliches | | Wissenswertes | ||
Sprache | | Musik | | Kunst/Architektur | | H O M E | | |
Die Schlacht am Piave | ||||||
Meine Beziehung zu Italien wurde stark von der Ausgrenzung geprägt, die ich, als in Italien aufgewachsener Österreicher in der Schule spürte, als im Geschichtsunterricht die Heldentaten der Italiener im Großen Krieg (1914 - 1918) mit „patriotischer" Inbrunst und ekelerregender Rhetorik zelebriert wurden. Als Kind machte mir diese Art von Geschichtsunterricht, in dem die Österreicher immer die Rolle der „Bösen" und der Unterdrücker spielten und die Italiener die der Helden, schwer zu schaffen. | ||||||
Wie oft musste ich das „Piave-Lied“ über mich ergehen lassen und sogar mitsingen – und das viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg! | ||||||
„Muti passaron quella notte i fanti, tacere bisognava andare avanti ... e il Piave mormorò, non passa lo straniero" |
||||||
„Schweigend verbrachten jene Nacht die Soldaten, man musste schweigen, musste vorwärts gehen ... und der Piave flüsterte: Der Feind wird nicht durchkommen!" |
||||||
Was für eine von der Zeit längst überholte Rhetorik noch heute in der italienischen Nationalhymne enthalten ist, wird die Lektüre dieser am Nationalismus des 19. Jahrhunderts orientierter Text rasch vermitteln. | ||||||
Der Piave ist ein Fluss in Oberitalien, der an den Südhängen der Karnischen Alpen entspringt und in den Golf von Venedig mündet. Im Ersten Weltkrieg bildete der Unterlauf des Piave ab November 1917 die neue Frontlinie nach der 12. Isonzoschlacht. Ein Versuch der k. u. k. Streitkräfte, ab 15. Juni 1918 die italienische Front mit einer neuen Offensive zu durchbrechen, scheiterte unter schweren Verlusten. Der Großangriff der Alliierten im Piavegebiet am 24. 10. 1918 führte zum Zusammenbruch der Südwestfront, zur militärischen Katastrophe der k. u. k. Armee in Vittorio Veneto (Venetien) und zum Abschluss des Waffenstillstands von Villa Giusti bei Padua. | ||||||
Vor einigen Jahren spürte ich, mit der Absicht, ein Stück Familiengeschichte aufzuarbeiten, einige jener Orte auf, die von meinem Großvater (er war Major im österreichischen Heer und hatte an den Isonzoschlachten teilgenommen) in seinen Kriegstagebüchern erwähnt wurden. |
||||||
Bei jener Gelegenheit las ich mit großem Interesse über die Kriegsgeschehnisse in einem Buch des Historikers Heinz Von Lichem, als ob ich den vergessenen Geschichtsunterricht nachholen müsste. Ich war so gefangen von der Schilderung dieser Ereignisse und ich ergriff beim Lesen wieder mit solcher Leidenschaft Partei für Österreich, als würde in diesem Buch die Revanche stattfinden. | ||||||
|
||||||
Da gab es also die ersten sechs Isonzoschlachten, bei denen es den Italienern unter General Cadorna gelang, die Gegend südlich von Görz (Monte San Michele, Hochplateau von Doberdò) zu erobern. Es waren verbissene, blutige Stellungsschlachten, Massenangriffe, die für Tausende den Tod bedeuteten, und ununterbrochener Artilleriebeschuss. Insgesamt hielt aber die Österreichisch-Ungarische Front. | ||||||
Historische Filmaufnahmen |
||||||
In den weiteren Schlachten verstärkte sich das Gemetzel. In der 11. Isonzoschlacht steigerte Cadorna schließlich seine Angriffskraft auf eine Million Kämpfer – hier sieht man, welche Lügen die Kriegsrhetorik hervorbringt, denn bei einer hundertprozentigen Überlegenheit wird von „inferiorità per numero e per mezzi“ (Unterlegenheit an Zahl und Mitteln) gesprochen –, ohne jedoch seinem Ziel, Triest zu erobern, näher zu kommen. | ||||||
Ich zitiere aus Von Lichems Buch: „Die eiserne Isonzo-Mauer Österreich-Ungarns bekam trotz ungeheuren Menschenopfern keinen Riss. Dann setzten das Österreichisch-Ungarische Heer zusammen mit den deutschen Verbündeten auf den großen Schlag an. Am 24. Oktober 1917 beginnt es. Angriff von allen Berggipfeln von der Flitscher Klause bis südlich von Tolmein (in den Julischen Alpen, heute Slowenien). Unvorstellbar muss jenes Bild gewesen sein, als sich auf die Sekunde genau um 8 Uhr morgens des 24. Oktober 1917 vom Rombon bis zur Hermada am Meer die Männer in Bewegung setzten. Am 27. Oktober, nach andauernden Kämpfen, in denen die Schlacht auch nicht eine Sekunde anhielt, waren Flitsch-Tolmein-Karfreit durchbrochen, war die italienische Front am mittleren Isonzo und am Unterlauf überrannt worden.“ |
||||||
Karfreit ist übrigens der deutsche Name für Caporetto (Slowenisch Kaborid). | ||||||
Auszüge aus „La Grande Guerra" (Monicelli) | ||||||
Bis zum 10. November konnten die Heere Österreich-Ungarns mit Hilfe von Verstärkungen aus Deutschland die friaulische Ebene überrennen und die italienischen Truppen bis zum Piave zurückwerfen. Bei dieser Schlacht hatten die Italiener an Toten, Verwundeten und Deserteuren fast eine Million Mann verloren und fast das ganze Kriegsmaterial. Zur Unterstützung der italienischen Seite mussten mehrere britische und französische Divisionen nach Italien verlegt werden. | ||||||
In Anbetracht dieser Ereignisse merke ich, wie unmöglich es ist, unparteiisch zu sein. Beim erstmaligen Lesen von Von Lichems Buch war es für mich, als als ob der Ausgang des Krieges noch völlig offen gewesen wäre. In Wahrheit blieb mir nur die Unwissenheit, über „wie" es passierte. | ||||||
„Am Ostufer des Piave wurde den österreichisch-ungarischen Truppen der Befehl zum Abbruch der Offensive, gegen den Willen von nahezu 100% des Offizierskorps und der Mannschaften gegeben. Dieser Befehl wurde der Anlass zum Untergang Altösterreichs und führte in weiterer Folge dazu, dass der deutsche Verbündete, zu Recht verärgert, seine Truppen am Piave sofort nach Erteilung jenes Befehles abzog. Hier verspielte Österreich-Ungarn den Sieg, das Armee-Oberkommando Österreich-Ungarns hat in diesen Tagen am Piave vollkommen versagt. Man ließ den Italienern die Zeit, dass sie mit Hilfe englischer und französischer Truppen das Piave-Westufer uneinnehmbar machen konnten." | ||||||