Das Schicksal der Slowenen |
Minderheiten |
Die von Mussolini
betriebene Italienisierung betraf auch Südtirol und die deutschen
Sprachinseln der Zimbern im Trentino (Lusern, Fersental),
in Venetien (Sappada, Dreizehn Gemeinden) und in Friaul
(Sauris, Timau). |
Die Ansiedlung der Slowenen in Italien reicht bis ins 6. Jahrhundert zurück. In der k.u.k.-Zeit lebten Slowenen, Italiener und deutschsprachige Österreicher im wesentlichen friedlich zusammen. Ausnahmen dabei waren die Städte Trieste (Trst) und Gorizia (Gorica), wo sich aus wirtschaftlichen Gründen schon sehr bald eine Kluft zwischen dem italienischsprachigen Zentrum und der slowenischsprachigen Umgebung entwickelte. |
Ein klares Bild von der ethnischen Zusammensetzung gibt uns die Volkszählung von
1910. Damals zählte Triest 230.000 Einwohner, davon 12.000 Deutsche,
160.000 Italiener und etwa 60.000 Slowenen. In Gorizia und Gradisca lebten 260.000 Untertanen des Kaisers. Es lebten dort
4.500 Deutschsprachige, 90.000 Italiener und 150.000 Slowenen. |
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Nach dem 1. Weltkrieg |
In einem Interview mit dem slowenischen Schriftsteller Boris Pahor äußerte sich dieser zum Thema slowenische Minderheit: „Vor dem Ersten Weltkrieg wurde überhaupt nicht von Minderheiten gesprochen. Die Slowenen waren ein Bevölkerungsteil wie viele andere. In Triest gab es damals mehr Slowenen als in Ljubljana.“ |
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Blumen für einen Aussätzigen. Slowenische Novellen aus Triest (Boris Pahor) |
Piazza Oberdan
(Boris Pahor) |
Triest - Portrait einer Stadt
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Mit dem Zerfall der Habsburger Monarchie 1918 endete auch die slowenische Einheit.
Wegen des nach dem Ersten Weltkrieg festgelegten neuen Grenzverlaufs lebten 400.000 Slowenen (Italien), 90.000 (Österreich) und 7.000 (Ungarn) außerhalb des neuen Königreichs der Slowenen, Kroaten und Serben. Nach dem Londoner Vertrag von 1915 besetzte Italien die Gebiete um Trieste und Gorizia sowie das Kanaltal, die bis zu diesem Zeitpunkt Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie waren. |
Die Slowenen von Venetien hofften zunächst, dass sie in Italien jene Rechte bekommen würden, die sie im k.u.k. Österreich-Ungarn nicht hatten. Bald mussten sie merken, dass sich daran nichts änderte. |
Nach dem Anschluss an das Königreich Italien war die Stadt Triest schon vor der Machtübernahme Mussolinis zum Schauplatz nationalistischer antisloweinischer Angriffe geworden. Die „Arditi“ (wörtlich: „Die Mutigen“), rechtsradikale Vorboten der Faschisten, verwüsteten sozialistische Parteilokale, Bibliotheken und Redaktionen slowenischer Zeitungen. |
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatten die italienischen Nationalisten von einer "slawischen Gefahr" gesprochen und der k. u. k. Verwaltung vorgeworfen, die Slowenen im Küstenland zu bevorzugen. Der Slawenhass war im Grunde auf ein Klassenhass zurückzuführen: Für die früher als ungebildete Tölpel verachteten slowenische Bauern hatte eine von Kirche und Staat geförderte Bildungsexplosion seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen sozialen Aufstieg gebracht. In den (italienischen) Städten war eine slowenische kleinbürgerliche und intellektuelle Schicht entstanden, die auch in den österreichischen Beamtenstaat aufstieg. Das schürte Ängste. |
Unter dem Faschismus übernahm Italien keinerlei internationale Verpflichtungen zum Schutz der Minderheiten. Ganz im Gegenteil:
Das seit 1922 regierenden faschistische Regime strebte die gezielte Assimilierung der slawischen Volksgruppe an. Um dies zu erreichen, wurden Italiener in der Region angesiedelt und gezielte Italienisierungsmaßnahmen ergriffen. |
Die slowenische Sprache wurde in der Öffentlichkeit verboten, slowenische Aufschriften entfernt, slowenische Organisationen aufgelöst, slowenische Schulen – unter österreichischer Herrschaft war der Unterricht immerhin muttersprachlich ausgerichtet – unterdrückt. Die Kinder sollten von Anfang an italienisiert werden. Das Eigentum der slowenischen Unternehmen und Institutionen wurde systematisch eingezogen. Slowenische Bücher wurden öffentlich verbrannt. Die slowenisch Presse wurde zuerst durch Verwüstungen der Redaktionen und Druckereien schikaniert, schließlich ganz verboten. Durch diese Verfolgungen kam es zu einer Auswanderungswelle, besonders von den slowenischen Eliten. |
Am 13. Juli 1920 wurde das slowenischen Kulturhauses in Triest, der „Narodni Dom", als eines der nationalen Symbole der Slowenen von den Faschisten niedergebrannt. Die offizielle Ausrede war, dass es sich um eine Vergeltungsmaßnahme handelte, nachdem bei Unruhen in Split zwei italienische Soldaten von jugoslawischen Sicherheitskräften erschossen worden waren.
In diesen Jahren wurden die Ortsnamen italienisiert, den Pfarrhäusern wurden die Standesregister konfisziert, um die slawischen Namen zu eliminieren, die Faschisten verschonten nicht einmal die Grabsteine. Nichts sollte mehr bezeugen, dass in Italien auch andere Nationalitäten lebten. Größere Orte bekamen einen Podestà (Amtsbürgermeister), der nicht selten aus Süditalien kam, kein Wort Slowenisch verstand und von der Geschichte des Ortes keinerlei Kenntnisse hatte. |
Im Unterschied zu den Deutschen in Südtirol gab es von Seiten der Slowenen der Venezia Giulia (Friaul) gewaltsamen Widerstand gegen den faschistischen Terrorn. Die erste Widerstandsbewegung "Orjuna" wurde vom
Königreich Jugoslawien unterstützt. Ihr folgten Aktionen junger nationalistischer Kämpfer, die verschiedene Anschläge verübten und sich mit den faschistischen Milizen Feuergefechte lieferten. |
Nach dem 2. Weltkrieg |
Es gibt Schätzungen, dass es in Italien noch etwa 80.000 Slowenen gibt. In 36 Gemeinden der Region Friuli Venezia Giulia (Friaul-Julisch Venetien) wird heute noch Slowenisch gesprochen, unter anderem im Kanaltal, in der Beneška Slovenija, im Resia-Tal, in Gorizia, in der Provinz Gorizia und in der ganzen Provinz Triest. Alle diese Gebiete sind zwei- bzw. mehrsprachig. |
Während die Slowenen in der Provinz Udine (Slavia Friulana) keine gesetzlich verankerten Rechte genießen, sind die Slowenen in Gorizia berechtigt, eigene Schulen zu führen. Die besten Minderheitenrechte genießen die Slowenen in Triest, verankert in einem Sondergesetz nach dem Londoner Memorandum aus dem Jahr 1954. |
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Weitere Schutzmaßnahmen, die sich auf das ganze Gebiet von Friaul-Julisch-Venetien beziehen, wurden 1975 im Osimo-Vertrag zwischen Italien und Jugoslawien festgelegt. Die slowenische Minderheit hat in Triest das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten bei administrativen und gesetzlichen Körperschaften ihre Sprache zu verwenden und ebenso eine slowenische Antwort (direkt oder mittels Dolmetscher) zu bekommen. Dasselbe Recht wird auch in einigen Gemeinden von Gorizia anerkannt, jedoch nicht in Udine. |
Öffentliche Aufschriften (einschl. Ortsnamen) finden man nur selten. Obwohl es eine slowenische politische Partei gibt, ziehen es viele Slowenen vor, in den Listen der Mehrheitsparteien zu kandidieren. In Gorizia und Triest gibt es öffentliche slowenische Kindergärten, die vom Staat oder von der Gemeinde finanziell unterstützt werden. |
In Gorizia und Udine gibt es einige Grundschulen mit slowenischer Unterrichtssprache, die ebenfalls finanzielle Unterstützung erhalten. An den Schulen mit italienischer Unterrichtssprache ist Slowenisch aber kein Unterrichtsfach. In Gorizia und Triest gibt es alle Arten höherer staatlicher Schulen mit slowenischer Unterrichtssprache, während es in Udine keine einzige solche Schule gibt. |
Es gibt slowenische Radiosendungen. Die von einem Gesetz aus dem Jahr 1975 vorgesehene Fernsehstation, die auf slowenisch sendet, gibt es noch immer nicht. |
Ende 2007 traten weitere Verbesserungen in Kraft, wie beispielsweise zweisprachige Personalausweise und der „Einheitsschalter“, eine zentrale Anlaufstelle bei Behörden, zur vereinfachter Abwicklung der staatlichen Dienstleistungen in slowenischer Sprache. |
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