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Padre Pio (Pater Pio) |
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Die Medienpräsenz von Pater Pio war bis zu seinem Tod (und später auch bei seiner Selig- und Heiligsprechung) vergleichbar mit jener von berühmten Hollywoodstars oder gekrönten Häuptern Europas. Selbst als Nichtgläubiger konnte man seine Person und sein Wirken nicht übersehen. Die Legenden seiner Wunderheilungen und Wahrsagungen waren ein gefundenes Fressen für die Presse. Es wurde sogar berichtet, dass er die Gabe der Bilokation gehabt habe (sich gleichzeitig in zwei Orten aufzuhalten), was ihn in die Nähe des berühmten Yogis Paramahansa Yogananda brachte. | ||||
In Italien ist Pater Pio allgegenwärtig. Überall findet man Denkmäler, überall die Heiligenbilder des stigmatisierten Kapuzinermönchs und Wunderheilers. | ||||
Pater Pio (Francesco Forgione) wurde am 25. Mai 1887 in Pietrelcina, einer kleiner Stadt bei Benevento, geboren. | ||||
Francesco Forgione war das achte Kind des Bauern Grazio Forgione und der extrem frommen Maria Giuseppina di Nunzio. | ||||
Als Kind wurde
er in der Wallfahrtskirche von Altavilla Irpina Zeuge eines
Wunders, das ihn sehr verwirrte. Eines Sonntags erlebte er die Heilung eines verkrüppelten Kindes,
das die verzweifelte Mutter auf den Altar gelegt
hatte, als wolle sie es Gott zurückgeben. Dieser
Vorfall bestärkte ihn in seinem Glauben und führte
dazu, dass er, nach Beendigung der Schule, beschloss, Mönch zu werden.
Am 6. Januar
1903, im Alter von 15 Jahren, trat er in das Kapuziner-Kloster
von Morcone ein, das nur wenige Kilometer von Pietrelcina entfernt
war. Am 22. Januar entledigte er sich unter dem Namen Bruder
Pio seiner Kleider,
um sein Leben Gott zu widmen. Am 27. Januar 1907 legte er das
Gelübde ab und wurde am 10. August 1910 zum Priester
geweiht. |
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Anschließend assistierte er dem Priester von Pietrelcina und wurde im November 1915 zum Militärdienst als Sanitäter einberufen. Wegen seiner labilen Gesundheit war der Dienst oft durch Genesungsurlaube unterbrochen, am 6. März 1916 wurde er für untauglich erklärt. Nach Aufenthalten in verschiedenen Klöstern kam er 1916 ins Kapuzinerkloster San Giovanni Rotondo, in dem er den Rest seines Lebens verbringen sollte. | ||||
Am Morgen des 20. September 1918, einem Freitag, erlebte er das Leiden Christi so intensiv, dass auf seinem Körper plötzlich die fünf Wundmale Christi erschienen, die ihn zum ersten stigmatisierten Priester in der Geschichte der katholischen Kirche machten, und die bis zu seinem Tod sichtbar blieben. Die Stigmata wurden in den folgenden Jahren wiederholt, auf Anordnung der katholischen Kirche, medizinisch untersucht. Um die Wunden an seinen Händen zu verbergen, trug Pater Pio fast immer fingerlose Handschuhe. Von Anfang an gab es große Zweifel, auch von kirchlicher Seite, an der Echtheit der Stigmata. Vom Vatikan beauftragte Ärzte stellten zwar Hautveränderungen und lokale Nekrosen fest, konnten aber die wahren Ursache nicht ermitteln. | ||||
1920 wurde der angesehene, dem Franziskanerorden angehörende Arzt und Psychologe Agostino Gemelli beauftragt, Pater Pio zu untersuchen. Pater Pio erlaubte Gemelli aber nicht, ihn zu untersuchen. Dennoch erstellte Gemelli ein Gutachten, in dem er behauptete, Pater Pio sei ein Betrüger. Seiner Meinung nach handelte es sich bei Pater Pio um eine hysterische und psychopathische Persönlichkeit, die sich im Rahmen der psychiatrischen Erkrankung die Wunden selbst zufüge. Infolgedessen verurteilte 1923 der Vatikan die Aktivitäten von Pater Pio und forderte die Gläubigen auf, nicht mehr nach San Giovanni Rotondo zu pilgern. Pater Pio galt also zu diesem Zeitpunkt für den Vatikan offiziell als ein Betrüger. Im Jahr 1931 wurde es Padre Pio verboten, öffentlich den Gottesdienst zu halten und Beichten abzunehmen. 1933 wurden die Beschränkungen aber von Pius XI. wieder aufgehoben. | ||||
Trotz der großen Menschenmengen, die zu ihm kamen, blieb er ein einfacher Priester. Man nannte ihn den „Apostel des Beichtstuhls" und er half vielen Menschen, ihren Glauben an Gott wiederzufinden.
Am 9. Januar 1940 begann Pater Pio damit, die Leiden der Pilger mit Worten oder mittels Handauflegen zu lindern und zu heilen. In den Armen, Leidenden und Kranken sah er das Bild Christi, besonders ihnen galt daher sein Werk der Nächstenliebe. Im selben Jahr begann Pater Pio damit, Spenden für ein Krankenhaus zu sammeln. 1956 wurde in San Giovanni Rotondo die Casa Sollievo della Sofferenza (Haus der Linderung des Leidens) eröffnet, die bereits damals zu den größten und modernsten Kliniken Süditaliens zählte. Nächstenliebe fehlen zu lassen sei, als würde man Gott in der Pupille seines Auges verletzen“, pflegte Padre Pio zu sagen. |
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Als er 1968 mit 81 Jahren starb, sollen über 100.000 Menschen an seinem Begräbnis teilgenommen haben. San Giovanni Rotondo ist bis heute eine Pilgerstätte. | ||||
Nach langjähriger Skepsis und auch Sanktionen seitens der katholischen Kirche wurde sein Wirken unter Johannes Paul II. schließlich anerkannt. 1997 erklärte ihn der Heilige Stuhl zum „Ehrwürdigen Diener Gottes“, 1999 sprach er ihn selig. Der Petersplatz war zu klein, um alle Gläubigen aufzunehmen, die der Verkündung beiwohnen wollten. Die Heiligsprechung folgte am 16. Juni 2002. | ||||
Im Sommer 2004 wurde nach mehrjähriger Bauzeit in San Giovanni Rotondo die neue Großkirche des Architekten Renzo Piano neben dem Grab des Heiligen eingeweiht. | ||||
Mehr als die Hälfte der 27000 Einwohner von San Giovanni Rotondo (Kellner, Köche, Hoteliers, Händler, Parkwächter, Ärzte, Krankenschwestern und viele andere) leben heute von Padre Pio, der somit der erfolgreichste Arbeitgeber der Region ist. Die Arbeitslosigkeit des Ortes beträgt nur ein Zehntel jener Apuliens. Es gibt ein Pater-Pio-Wachsfigurenkabinett, ein Pater-Pio-Museum, ein neues Kongresszentrum, ein Pater-Pio-Radio und seit 2003 existiert sogar ein Pater-Pio-TV-Sender. Das Krankenhaus von San Giovanni Rotondo gilt als eines der besten Italiens. | ||||
Am Höhepunkt des Padre-Pio-Booms, in den Jahren 1996 bis 2002, kamen im Durchschnitt sieben Millionen Pilger jedes Jahr nach San Giovanni Rotondo. Das ist mehr als Lourdes (Frankreich) und Fatima (Portugal). Nur der Wallfahrtsort Guadelupe (Mexiko) kann eine größere Pilgerzahl aufweisen. | ||||
San Giovanni Rotondo | ||||
Am 19. Juli 2006 hatte ich die Gelegenheit, die TV-Show „Una voce per Padre Pio“ (Eine Stimme für Pater Pio) in einer Direktübertragung des ersten Programms der italienischen Rundfunkanstalt RAI aus Pietrelcina zu verfolgen. Wäre ich nicht der italienischen Sprache mächtig gewesen, hätte ich diese Show nur mit viel Vorstellungskraft von einer der zahlreichen Musik-Fernsehshows oder von einer jener Preisverleihung-Sendungen von sich gegenseitig beweihrauchenden „Größen" des italienischen Fernsehens unterscheiden können: Es war eine Sendnung mit als „bedeutend" getarnter Oberflächlichkeit, mit glänzend aussehenden Moderatoren und quotenträchtigen Starlets, sowie mit der gewohnten Choreografie aus Glitzer, Schlagermusik, viel „light and sound" und dem Absoluten Fehlen von jeglicher Form geistiger Sammlung. | ||||
100 Mio Euro: die jährliche Bilanz des Pater-Pio-Businesses. | ||||
Es ist nicht lange her, da sorgte das Buch des Historikers
Sergio Luzzatto, „Wunder und Politik im Italien des zwanzigsten Jahrhunderts“, für Aufregung.
Laut Luzzatto könnte man die Wunden Pater Pios mit den Einsatz von Karbolsäure erklären.
Es wurden nämlich Apothekenbestellungen Padre Pios gefunden, die bestätigten, dass der Pater in größeren Mengen diese ätzende Säure bestellt hatte. Padre-Pio-Verteidiger meinten dazu, diese seien zur Desinfektion der Kranken und Anästhesiespritzen gebraucht worden.
Interessant ist in diesem
Zusammenhang die widersprüchliche Haltung der katholischen Kirche. Attestierte
1960 noch Papst Johannes XXIII Pater Pio ein „weitreichendes Seelenchaos" und vermutete er noch einen „immensen Betrug“, so sprach ihn – wie bereits erwähnt – Papst Johannes
Paul II hingegen im Jahr 1999 selig und 2002 heilig.
Exhumierung
Vier Jahrzehnte nach seinem
Tod wurde das Grab Padre Pios zu Ausstellungszwecken
geöffnet. Vom 24. April 2008 bis zum 23. September 2009 wurden die sterblichen Überreste
des Heiligen in einer gläsernen Vitrine den Gläubigen gezeigt. Weil der Kopf aber zum Teil skelettiert war, wurde Padre Pios Gesicht von einer Silikonmaske verdeckt. Kritiker sahen in diesem Schritt die Gefahr,
die „Kommerzialisierung" der Pio-Verehrung noch zu
vergrößern. |
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