Ende Juli 2004 starb in
Orsigna (Pistoia), in seinem „toskanischen Himalaya"
der große
Asien-Reporter italienische Journalist Tiziano Terzani. Er war nicht nur Journalist, sondern auch Globalisierungsgegner,
Pazifist, Kritiker der modernen Schulmedizin. Er starb an Krebs im Alter von 65 Jahren.
Der Guru
In seinen letzten
Jahren wurde Tiziano
Terzani, besonders in Italien, als eine Art Guru angesehen.
Neben seinem äußeren Erscheinungsbild kam
eine einnehmende, faszinierende,
verführerische Rhetorik. Er war unter anderem ein
Kritiker der kapitalistischen Globalisierung.
Wer war dieser 1938 in
Florenz geborene Tiziano Terzani?
Er selbst definierte sich als „berufsmäßiger
Ausbrecher" und „Kind Gebliebener“.
Er wa ein hervorragender Asienkenner, der
fließend Chinesisch und weitere vier asiatische Sprachen sprach.
Von 1972 bis 1997 war er in verschiedenen Ländern Asiens als Korrespondent des SPIEGEL und der italienischen Zeitungen Corriere della Sera und La Repubblica. Er war einer der wenigen westlichen Reporter,
die in Saigon blieben, als die Kommunisten die Stadt einnahmen.
1984, nach fünf Jahren in China, wurde er dort wegen angeblicher antirevolutionären Aktivitäten verhaftet, musste einen Monat in einem Umerziehungslager vebringen und wurde schließlich des Landes verwiesen. Nach mehrjährigen Aufenthalten in Japan und Thailand ging Terzani 1994 nach Indien, wo er überwiegend seine letzten Jahren verbrachte.
Terzani war vor allem ein spannender Buchautor. Auf Deutsch sind unter anderem erschienen: „Fremder unter Chinesen. Reportagen aus China“ (1987), „Gute Nacht, Herr Lenin“ (1993)
und „Briefe gegen den Krieg“ (2002).
Terzani schafft es auf meisterhafte Art, seine Reiseleidenschaft
auf den Leser zu übertragen und diesem auf spannende, aufklärende Weise fremde Welten
zu zeigen. Es sind Bücher, die man in einem
Atemzug liest.
Das Ende ist mein Anfang - Trailer
Aufmerksam wurde ich auf Terzani durch das Buch „Fliegen
ohne Flügel. Eine Reise zu Asiens Mysterien„.
Ausgangspunkt diese Buches, dessen italienischer („Un indovino
mi disse“) und dessen englischer Titel („A fortune
teller told me“), für den Inhalt aufschlussreicher
sind, war die Begegnung mit einem alten Wahrsager in Hong Kong.
Als ihm dieser einen Flugzeugabsturz voraussagte, beschloss
Terzani, der bis dahin fest davon überzeugt war, nicht
abergläubisch zu sein, seinem Rat zu folgen und ab dem
1. Januar 1993 in kein Flugzeug mehr einzusteigen.
So begann
für ihn ein Jahr neuartiger Begegnung mit Asien. Mit klappernden
Bussen, Autos, Fähren, Eisenbahnen und anderen nicht fliegenden
Verkehrsmitteln reiste er durch Südostasien und
sogar - über China, die Mongolei und Sibirien zurück
nach Europa; per Schiff dann schließlich zurück nach
Singapur.
Es wurde eine Entdeckung der Langsamkeit, ein In-sich-hinein-gehen,
ein Weg, um die traditionbehafteten asiatischen Kulturen besser
zu verstehen und sie mit dem „modernen", stark vom
Westen beeinflussten Asien zu vergleichen.
Obwohl Terzani immer wieder behauptete, „ich glaube nicht
daran“, begann er, in jedem seiner Aufenthaltsorte nach
einem Wahrsager, nach einem Weisen oder einem Zauberer zu suchen.
Und so erfuhr er, dass
neben einem Asien, das sich dem Geld und der Technik verschrieben
hatte,
Fliegen ohne Flügel
einem Asien, in dem die Änderung der Lebensweise
in rasantem Tempo fortschritt und alle Unterschiede zu verwischen
drohte, es auch noch ein altes, in den Denkweisen seiner Tradition
verharrendes Asien gab, wo Legenden, Mythen, Prophezeiungen
und Religion noch eine sehr große Rolle spielten.
Ob Terzani tatsächlich den Wahrsagungen und esoterischen
Eingebungen seiner Reise Glauben schenkte, hielt er immer mit viel Verschmitztheit im Dunkeln.
Hätte sich die merkwürdige
Prophezeiung wirklich erfüllt, und wäre Terzani tatsächlich
einem Flugzeugabsturz zum Opfer gefallen, wenn er nicht seinen
Entschluss getroffen hätte? Das fragt sich der Leser
und natürlich der Autor selbst. Es versteht sich von selbst,
dass Terzani in diesem Zeitraum alle Flugunfälle aufs Genaueste
in der Presse verfolgte.
Und war es ein Zufall, dass genau im Jahr seiner Flugabstinenz
ein mit westlichen Journalisten beladener Helikopter über
Kambodscha abstürzte? Und dass einer der Toten ein Kollege
aus Hamburg war, der anstelle von Terzani mitgeflogen war?
Asien, mein Leben
Noch eine Runde auf dem Karussell
Nach den Ereignissen vom
11. September 2001 und dem darauf folgenden Afghanistan-Feldzug wies Terzani in seinen „Briefen gegen den Krieg“ nachdrücklich darauf hin, dass der Westen diesen Krieg verlieren
würde, falls er dabei seine moralischen Prinzipien
aufgibt.
Sein Buch „Noch
eine Runde auf dem Karussell“ handelt von seiner Krebserkrankung
und seiner letzten großen Reise auf der Suche nach Heilung:
Neben der klassischen westlichen Medizin suchte er auch die Hilfe in den
alternativen Heilmethoden und in der Spiritualität.
In der Verfilmung von Terzanis Buch "Das Ende ist mein Anfang“ spielt Bruno Ganz die Rolle des berühmten Journalisten.