Wenn ich heute
einen alten Film mit Totò ansehe (auf Italienisch, denn
er ist so gut wie unübersetzbar!), dann frage ich
mich, weshalb ich diesen Schauspieler in meiner Kindheit und
Jugend so umwerfend lustig fand. Heute haben nur die Besten
seiner Filme diese Wirkung auf mich. Vielleicht ist es deshalb,
weil es eine Art Humor aus einer ganz anderen Zeit ist, als Italien noch
nicht das Wirtschaftswunder erlebt hatte.
Vielleicht ist
es auch, weil Totòs Filme, wie auch jene der späteren
„commedia all'italiana“ immer einen traurigen
Kern haben. Die Charaktere sind meist kleine Leute - Arbeitslose,
kleine Ganoven. Der Ausgang hat selten ein Happyend.
Totò (geb. als
Antonio de Curtis am 15. Februar 1898 in Neapel, gest.
am 15. April 1967 in Rom) war ein sehr bekannter italienischer
Schauspieler. Ausgesprochen wird der Name Totò mit der Betonung auf die letzte Silbe.
Aus einem Interview: „In
bin bereits in einem Alter, in dem man Bilanz zieht, und ich hab
noch nichts getan. Ich hätte ein großer Schauspieler
werden können, stattdessen habe ich mehr als 100 Filme
gedreht, von denen nur 5 wirklich gut waren. Selbst wenn ich
ein großer Schauspieler geworden wäre, was hätte
das geändert? Wir Schauspieler sind nur Verkäufer
von Geschwätz, ein Tischler ist viel mehr wert als
wir. Ein Tisch überlebt die Zeit seines Erschaffers. Wir
Schauspieler bleiben höchsten eine Generation in Erinnerung,
in den Jahrhunderten werden wir vollig vergessen“.
Totò war auch Autor von klassischen „canzoni napoletane“ (neapolitanischen Liedern). Das berühmteste ist ohne Zweifel „Malafemmena“ und für lange Zeit dachte man, dass er nur diese geschrieben hatte.
Malafemmena
In Wahrheit komponierte Totò ab 1951 mehr als 40 „canzoni“. Ein Großteil der Lieder in seinen Filmen hat ihn als Autor. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass er weder Musik lesen noch schreiben konnte. Er schrieb dazu auch immer die Texte.
Mazurka di Totò
Quando sei solo e giovane
quanti sogni in fondo al cuore...
ti senti triste e povero
se la vita è senza amore.
Prendi la fisarmonica,
fai dischiudere un balcone
e a una bella signorina
canta una canzone su per giù così:
„Mia bella signorina
che ascolti lassù ...
socchiudi gli occhi e sogna
socchiudi gli occhi e sogna...
un giovanotto e un cuor,
che ti piace di più...
e ad altro non pensare
finchè c'è la gioventù...
Sogna di una tua casetta
e un bel chiaro di luna...
sogna un bel pupo biondo
o una bambola bruna...
Mia bella signorina
che ascolti lassù...
socchiudi gli occhi e sogna
finchè c'è la gioventù ...“
Wenn du jung und arm bist,
wie viele Träume hast du im Herzen,
du fühlst dich traurig und arm,
wenn das Leben ohne Liebe ist.
Nimm die Ziehharmonika,
sieh, dass sich ein Balkon öffnet,
und singe einem schönen Fräulein
ein Lied wie dieses:
„Mein schönes Fräulein,
das mir von dort oben zuhört ...
schließe die Augen und träume,
schließe die Augen und träume
einen jungen Mann und ein Herz,
das dir besser gefällt ...
denke an nichts anderes,
solange es die Jugend gibt ..
Träume von einem Häuschen
und dem Mondschein,
träume von einem blonden Kind
oder einem brünetten Püppchen.
Mein schönes Fräulein,
das mir dort oben zuhört ...
schließe die Augen und träume,
solange es die Jugend gibt ...“
Nur wenige Filme des Komödianten Totò wurden
über die Grenzen Italiens hinweg bekannt. Beispielsweise
seine Zusammenarbeit mit Pier Paolo Pasolini – unter anderem
im Film „Uccellacci e uccellini“ – sei hier
zu erwähnen.
Totò
schrieb
Theater- und Filmgeschichte. Der beliebteste Komiker Italiens
spielte zwischen 1937 und seinem Tod 1967 in mehr als hundert
Filmen mit. Seine Mimik, seine Gesten und Sätze
haben in Italien einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis.
In seiner Geburtsstadt Neapel genießt Totò Kultstatus.
„Er ist für die Neapolitaner wie das Lachen von Pulcinella,
der Geschmack der Pizza, ein Gedicht von Di Giacomo, ein Ausdruck
von Edoardo die Filippo, ein Denkmal, ein Symbol, das man in
alle Welt exportieren möchte“.
Totòs Sprachwitz hat wenig
an Aktualität verloren. Zur so genannten Friedensmission
der italienischen Truppen im Irak passt beispielsweise: „Zuerst
haben wir den Krieg verloren und jetzt auch den Frieden“.
Totò verkauft die „Fontana di
Trevi"
Die meisten Wortspiele sind leider
nur sehr schwer übersetzbar, da sie oft auf Wortverdrehungen
und -verformungen beruhen, die in anderen Sprachen ihren Witz
verlieren, weshalb Totò auf den großen Erfolg im
Ausland verzichten musste.
Dennoch ein Versuch, einige seiner Sprüche wiederzugeben:
„Signora sono a sua completa disposizione, corpo,
anima e frattaglie„
(Gnädige Frau, ich stehe Ihnen völlig
zur Verfügung, Körper, Seele und Innereien.)
„Lei
è un cretino, s'informi!“ (Sie sind ein Depp,
ziehen Sie diesbezüglich Erkundigungen ein!"
"A proposito di politica, ci sarebbe qualche cosarellina
da mangiare?“ (Apropos Politik, gäbe es da nicht
etwas zum Essen?)
"Credevo che mia moglie fosse una carogna, finche'
non ho visto la sua“ (Ich dachte, dass meine Frau
ein Biest sei, bis ich nicht Ihre kennen gelernt habe.)
"Era un uomo così antipatico che dopo la sua
morte i parenti chiedevano il bis.“ (Er war derart
unsympathisch, dass nach seinem Tode die Verwandten „Zugabe"
riefen.)
"Si dice che l'appetito vien mangiando, ma in realtà
viene a star digiuni.“ (Man sagt, dass der Appetit
beim Essen kommt, in Wahrheit kommt er, wenn man nicht isst.)
„Ogni limite ha una pazienza.“ (Jedes Ende
hat seine Geduld.)
„Ma quale paura? Nel mio vocabolario non esiste questa
parola, a meno che non si tratti di un errore di stampa.“
(Von wegen Angst! In meinem Wörterbuch gibt es dieses Wort
nicht, es sei denn, es ist ein Druckfehler.)
„Io, quando fingo, fingo sul serio!“ (Wenn ich heuchle, nehme ich das Heucheln wirklich ernst).
In Neapel ist Totò zur Ikone avanciert
„I parenti sono come le
scarpe: più sono stretti e più ti fanno male. “
(Verwandte sind wie Schuhe, je enger sie sind, um so mehr tun
sie weh."
„Chi dice che i soldi non fanno la felicità,
oltre ad essere antipatico, è pure fesso. “
(Wer behauptet, dass Geld nicht glücklich mache, ist nicht
nur unsympathisch, er ist auch blöd.)
„Prendo tre caffè alla volta per risparmiare
due mance." (Ich trinke immer drei Kaffee auf einmal,
um zweimal das Trinkgeld zu sparen.)
„Tutto è perduto, anche lonore." (Alles ist verloren, auch die Ehre.)
„Gli avvocati difendono i ladri. Sa comè...
tra colleghi." (Rechtsanwälte verteigen Ganoven.
Wie das halt so ist ... unter Kollegen.)
„Non posso morire! Cho un appuntamento."
(Ich kann nicht sterben, ich habe noch eine Verabredung.)
Sophia Loren und Totò in Die verkaufte Unschuld
Große Vögel, kleine Vögel von Pier Paolo Pasolini
Golf von Neapel
„Ognuno ha la faccia che ha, ma qualche volta si esagera.“ (Jeder Mensch hat das Gesicht, das er hat, aber manche übertreiben damit.)
"Toglimi una curiosità, tuo zio è sempre morto?“ (Sag mit bitte eines. Ist dein Onkel immer noch tot?)
"Come è gentile per essere una parente: sembra un’estranea!“ (Dafür dass sie eine Verwandte ist, ist sie sehr freundlich. Als wäre sie eine Fremde!)
„Do ut des" []
„Ti invito a prendere un caffè. I soldi li hai?“ (Ich lade dich auf einen Kaffee ein. Hast du Geld bei dir?)
Inhaltlich ging es Totò oft um
die Bloßstellung und Ironisierung gesellschaftlicher,
politischer und kultureller Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten.
Als Totò am 15 April 1967
starb, gaben ihm in und außerhalb der Kirche von Carmine
Maggiore mehr als 100.000 Menschen das letzte Geleit.