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Zampognari |
Vor Jahren begenete ich in den Pyrenäen einer Gruppe Musiker, die mit Flöte, Trommel, Tamburin, Ziehharmonika und Dudelsack an vergangene Zeiten erinnernde Weisen spielten. Eine sanfte Melancholie entsprang dieser Musik, die in mir Erinnerungen wach werden ließ, die meiner fernen, in Italien erlebten Kindheit entstammten, und rief damit Bilder und Klänge hervor, die ich für verschwunden hielt. Es erinnerte mich an die aus Mittelitalien stammenden Zampognari, die auch heute noch (bzw. wieder) zur Weihnachtszeit stimmungsvolle Melodien spielen. |
Wenn man in der Weihnachtszeit durch die dann besonders festlich beleuchteten Gassen eines Stadtchens in den mittel- oder süditalienischen Apenninen schlendert, überraschen einen oft wunderliche Klänge. Es ist die Zeit, in der die Schäfer von den Bergen in die Städte hinabsteigen und mit ihrer Musik von Haus zu Haus ziehen. |
Auf ihren typischen, jahrtausendalten Instrumenten wie der Zampogna, einer Art Dudelsack, oder der Ciaramella (Schalmei) spielen sie stimmungsvolle Melodien, die in ganz Italien so selbstverständlich zum Weihnachtsfest gehören wie die berühmte neapolitanische Krippe. Zahlreiche Abbildungen, quer durch die Jahrhunderte, zeigen meistens zwei Musiker, die zusammen Zampogna und Ciaramella spielen. |
Diese Dudelsäcke sind seit Jahrhunderten in der traditionellen Musik Italiens verwurzelt und werden heute wieder häufiger gespielt. Gerade zur Weihnachtszeit trifft man im Süden Italiens diese sogenannten Zampognari auf Straßen und Plätzen der Städte. |
Dabei wird auf der Zampogna häufig eine rhythmisierende und harmonisierende Begleitung zur Melodiestimme der Ciaramella gespielt. Es finden sicg aber auch zahlreiche Melodien, die allein auf der Zampogna zweistimmig gespielt werden können. |
„Die Zampognari kommen von den wilden Bergen der Abruzzen hinunter in die Täler, um vor den Abbildern der Madonna auf ihren rustikalen Musikinstrumenten zu spielen. Sie tragen einen weiten Überhang aus dunklem Tuch und einen Spitzhut nach Art der Straßenräuber„. So schilderte es Hector Berlioz im Jahr 1832. |
Die romantische Literatur hat aus dem Zampognaro, dem Dudelsackspieler, einen vagabundierenden Dorfplatzbarde gemacht, halb Schäfer, halb Bettler, nach einem Stereotyp, der auch heute noch besteht. Zweifelsohne ist der Zampognaro eine der Hauptfiguren des mittelitalienischen Folklore, schwerpunktmäßig in den Abruzzen und im Molise. Seit Jahrhunderten verlassen die Zampognari während der Adventszeit ihre Dörfer, um ihre musikalische
Weihnachtsbotschaft unter die Menschen zu bringen.
So trifft man sie zu dieser Zeit fast überall an, in Rom wie in Mailand, in Neapel und in Foggia. Sie sind zahlreicher, als man denkt, und etwa 70% von ihnen stammen aus dem Molise. Es sind natürlich keine Schäfer mehr, sondern Förster, Landwirte, Busfahrer und andere, die diese Tradition in entsprechenden Vereinen hochhalten und pflegen. |
Ein gut abgestimmtes Paar von Zampogna-Spieler und Ciaramella-Spieler (die schon längst für ihre öffentlichen und privaten Darbietungen bezahlt werden) können in der Saison bis zu zehntausend Euro und mehr verdienen. |
Die Zampogna und der Zampognaro stehen in Italien immer noch für „das" Weihnachtsfest, wie die Krippe und der Christbaum und der aus Amerika importierten „Santa Claus“. Im Gegensatz zu den beiden letzteren lassen sie aber den Geist des traditionellen Weihnachtsfestes weiterleben und können bei den Menschen noch beglückende, archaisch anmutende Gefühle erwecken, die in der modernen Welt kaum noch Platz haben. |
Das bekannteste italienische Weihnachtslied, das von den Zampognari gespielt wird, ist ohne Zweifel "Tu scendi dalle stelle", das im Dezember 1754 vom neapolitanischen Theologen Alfonso Maria de' Liguori in Nola komponiert wurde. |
Zampognari spielen „Tu scendi dalle stelle„ |
Eine Legende besagt, dass Julius Caesar während seines Britannien-Feldzugs sehr besorgt gewesen sei wegen des zähen Widerstands, das ihm von der lokalen Bevölkerung entgegen gebracht wurde. Er besprach sich mit seinen Beratern, und es wurden verschiedene Optionen ins Auge gefasst, bis ihn ein Legionär, ein gewisser Turno, unwillkürlich auf eine hervorragende Idee brachte. Turno war ein Meister der Zampogna, und er ging einmal frühmorgens, fernab vom Zeltlager, um die schlafenden Kommilitonen nicht aufzuwecken, dem Musizieren nach. Er befand sich in die Nähe des Pferdelagers. Als sein Instrument die ersten (lauten) Noten spielte, versetzte das die Pferde in eine derart große Aufregung, dass das ganze Lager davon aufgeweckt wurde und der Vorfall Julius Caesar ans Ohr kam. |
Aber anstatt den Legionär zu bestrafen, beschloss Caesar, alle jene Männer zusammen zu rufen, die die Fähigkeiten hatten, Holz zu schnitzen oder Tierfelle zu bearbeiten. Er lies daraufhin eine Anzahl Ziegen schlachten und verordnete die Anfertigung von mehr als 50 Zampogne. Sie sollten seine Geheimwaffen werden. |
Bei der entscheidenden Schlacht gegen die Britannier nutzen die Römer den Ohren betörenden Lärm der lautstarken, gleichzeitig gespielten Instrumente, um im geeigneten Augenblick die Pferde der Gegner zu erschrecken und bei ihnen ein wildes Durcheinander zu erzeugen. Die von den Pferden zu Boden geworfenen Reiter wurden zu leichten Opfern der römischen Legionäre. |
Es soll auf diesen Vorfall zurückzuführen sein, dass die Britannier dieses, aus ihrer Sicht mit magischen Eigenschaften dotiertes Instrument selbst übernommen haben. |
Das klingt zwar ein wenig nach Asterix-Comics, bezeugt aber, dass zur Zeiten Caesars die Dudelsack in Italien bereits bekannt war. |