Vielleicht nicht in dem Umfang, wie sie im Deutschen auftritt, aber auch die italienische Sprache scheint an Anglophilie erkrankt zu sein. Immer mehr englische (oder vermeintlich englische) Begriffe sind in der Muttersprache Dantes zu finden. Diese Anglizismen machen die Sprache weniger aussagekräftig, undifferenziert und banal, ihren Klang weniger harmonisch. Ich rede hier nicht von den Neologismen, die aus Wissenschaft und Technik kommen, das ist kaum zu vermeiden, denn diese Bereiche sind seit langem eine Domäne der englischsprachigen Ländern, insbesondere der USA. Ich meine damit die Ausdrücke und Redewendungen in der alltäglichen Sprache.
Der Anteil von Anglizismen ist vor allem in der italienischen Pressesprache und in den Fachsprachen groß. Untersuchungen stellten zwar fest, dass sich dies nur unerheblich auf die gesprochene Sprache auswirkt, dass also der Alltagswortschatz weitgehend unberührt bleibt, andrerseits sieht es ganz so aus, als würden sich die Italiener nicht selbst verwirklicht und vor allem nicht „wichtig" genug fühlen, wenn sie nicht andauernd englisch-amerikanische Wörter in ihre Gespräche einfließen lassen können.
Entlehnungen aus der englischen Sprache gelangen heute vorrangig durch Zeitungen und andere Printprodukte ins Italienische. Eine weitere Hauptquelle für die sprechsprachliche Diffusion von Anglizismen ist natürlich das Fernsehen.
Bereits 1970 klagte der Journalist und Schriftsteller Paolo Monelli wegen der „Bastardierung" der Sprache und fragte sich, aus welchem Grund die Italiener nicht recipiente sagen konnten statt container und sistema statt establishment.
Power-Grammatik
Anglizismendiskussion in Deutschland, Österreich,
der Schweiz und Italien
Ho capito! Typische Italienisch-Fehler sicher vermeiden: Niveau A2 - B2
Langst hat das O.K. dem Si die Rolle abspenstig gemacht und ersetzt break das Wort Intervallo (Pause), ganz zu schweigen von Wörtern wie jogging (corsa campestre), shopping (spesa) oder look (aspetto), die die muttersprachlichen Wörter bereits weltweit verdrängt haben. Und das „Shopping" macht man übrigens nicht mehr im supermercato sondern im supermarket. Aus motorini (Motorroller) sind längst scooter geworden, aus den tifosi (Anhänger) fans. Die partita di calcio (Fußballspiel) ist zum match geworden. Und weshalb sagt man nur noch location statt posto oder luogo?
Die meisten Italiener kennen den „oscuramento totale“ (die Verdunkelung) weder aus dem Krieg noch aus der Sprache. Man spricht heute nur noch von blackout, ein Wort, das freilich auch eine ganz andere Bedeutung hat (Aussetzer).
Man findet in Presse und Film kaum noch einen omicida, einen assassino, (Mörder) oder einen attentatore (Attentäter). Man spricht nur noch von einem killer, gerne in der variante serial killer. Die Wörter associazione oder circolo (Verein) haben die Schlacht gegen club längst verloren.
Riservatezza ist zur privacy geworden. Wenn Italiener schwätzen oder gar lästern, dann machen sie gossip, keinesfalls nennen sie es chiacchierare / far due chiacchiere oder pettegolare (von pettegolo = Klatschmaul). Und natürlich trinkt man keinesfalls eine bevanda oder eine bibita, sondern nimmt einen drink. Das vermittelt so ein Gefühl, als sei man Humphrey Bogart in seiner Bar in Casablanca. Sollten sie, verehrter Leser, schon in Ihrem siebten Jahrzehnt angekommen sein, dann sind sie nicht mehr ultrasessantenne, sonder over sixty. Vor nicht allzu langer Zeit ging man nach der Arbeitswoche ins fine (di) settimana (Wochenende), heute, ist doch klar, geht man ins weekend. Übrigens: Welche Notwendigkeit bestand, dem Wort missione das „e“ wegzunehmen (mission)?
Self service hat sich genau so durchgesetzt wie bei uns im deutschsprachigen Raum, obwohl doch libero servizio gut verständlich ist. Logisch, dass man kein biglietto mehr kauft, oder keine multa (kein Strafzettel) mehr zahlen muss, wenn es doch das schöne multifunktionale Wort ticket gibt. Voucher hat den buono d'acquisto völlig verdrängt. Als man in Deutschland schon längst Magazin zur Zeitschrift sagte, war es in Italien noch selbstverständlich von einer rivista zu sprechen. Die Zeit ist (fast) vorbei.
Die Franzosen, die ihre Sprache auf rührende Weise verteidigen (Beispiel: boutique franche statt duty free) werden von vielen Freunden der italienischen Sprache beneidet. Für sie ist es peinlich, dass es in Italien Menschen gibt, die speaker sagen, wenn sie annunciatore sagen könntnen und Mütter, die ihre Kleinen lieber in die nursery bringen statt in ein asilo nido. Und warum, so darf man sich fragen, muss ein comandante im Falle eines Sportbootes plötzlich Skipper heißen? Warum musste aus libreria ein bookshop werden?
Am Schlimmsten ist es in Politik und Wirtschaft, wo man sich am internationalsten gibt: vertice ist Vergangenheit, schließlich gibt es doch das Wort summit. Die squadra wird zum team, der capo di partito zum premier, die Mitarbeiter (i collaboratori) zum staff. Eine riunione informativa ist zum briefing verkommen. Ein zu erreichendes Ziel (bersaglio, bzw. obiettivo) ist nur noch il target. Mann kann sich auch fragen, weshalb man brand sagen muss, wenn man doch marchio (Marke) verwenden kann? Oder meeting statt riunione (Versammlung)? Die Liste könnte man ad infinitum weiterführen: business plan (piano economico) fiscal year (anno fiscale), shareholder (azionisti), mission (missione)
Ein ente pubblico (eine öffentliche Behörde), oder eine autorità (Aufsichtsbehörde) wird kurzerhand zu authority.
Globish: Die neue Weltsprache?
Das Englische als Lingua
Franca in Italien: Bereiche-
rung oder Gefahr für die Wissensvermittlung und Gesellschaft?
Flüssiges Italienisch (Mit Redensarten zu mehr Eloquenz)
Bei neuen Begriffen, wie es sie vor allem in der Welt der Informatik gibt, ist die Übernahme neuer Begriffe wohl unvermeidlich gewesen. Es sei denn, man hätte es wie die Franzosen getan, die zu ihrer Sprache ein ganz anderes Verhältnis haben. Oder wie die Spanier, die immerhin nicht immer den englischen Begriff verwenden. So wird dort beispielsweise mouse zu ratón oder computer zu computadora. In Italien hat sich die schöne neue Anglowelt durchgesetzt. Also beispielsweise account statt cliente, disk statt disco, e-mail statt posta elettronica, off statt disattivato, on statt attivato und on-line statt in linea. Und das gute alte centralino telefonico ist zum call-center mutiert.
Weitere Beispiele aus der Medienwelt: mass media statt mezzi di comunicazione di massa, news statt notizie, nomination statt nomina, performance statt esibizione, spot statt breve pubblicità oder star statt stella, diva. Klar auch, dass die Filmstars in Venedig nicht mehr über den tappeto rosso (roten Teppich) gehen, sondern über den red carpet, so konnte man es jedenfalls aus dem Mund eines Fernsehansagers beim letzten Filmfestival in Venedig hören.
Noch eine kleine Liste von Wörtern, von denen noch vor wenigen Jahrzehnten die italienische Variante die meitsverwendete war: party (festa), gay (finocchio, omosessuale), clown (pagliaccio), columnist (cronista, giornalista), privacy (vita privata), flop (fiasco), racket (malavita, organizzazione criminale), strip-tease (spogliarello), baby-sitter (bambinaia), short story (novella), count- down (conto alla rovescia).
Ein Zeichen für die Durchdringung des Englischen sind zunehmend auch die Adjektive: bipartisan statt bilaterale, trendy statt alla moda, cordless statt senza filo. Unzählig sind inzwischen auch die Wortverbindungen neuer Begriffe, für die es nicht einmal einen Versuch gab, sie auf Italienisch zu erschaffen: job on call, book on demand, denial of service, marketing one-to-one, peer to peer, pay per view.
Zahlreich sind auch die falschen Anglizismen, Wörter, die zwar englisch klingen, aber in dieser Sprache entweder keine oder eine andere Bedeutung haben. Das Wort stage für Praktikum z. B. wird aus dem Französischen entlehnt, aber englisch ausgesprochen, obwohl das englische Wort für Bühne steht. Wenn Italiener aufs Klo gehen, sagen sie zwar auch gabinetto, jedoch immer häufiger water (italienisch ausgesprochen), quasi als Abkürzung des englischen Wortes water closet. Für weitere Beispiele siehe Scheinanglizismen.
Die Bereitschaft, sich zu „amerikanisieren“, und zwar nicht nur in der Sprache, sondern auch im Verhalten, hatte ihren Anfang nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gefunden und verhalf in den 1950ern dem neapolitanischen Sänger Renato Carosone zu einem großen Erfolg mit seiner canzone „Tu vuò fà l'americano“ („Du willst den Amerikaner spielen“).
Renato Carosone: „Tu vuò fà l'americano“
Die Italiener haben auch eine wahre Leidenschaft für gewisse Klänge entwickelt, die sie als typisch englisch betrachten, wie beispielsweise die Endung „tion“, die man im Englischen etwa „schon“ ausspricht. So einverleiben sie Wörter wie escalation in ihre Sprache, statt aumento (Anstieg) zu sagen, devolution statt trasferimento di competenza, oder das bereits genannte nomination. Sie fühlen sich dabei offensichtlich texanischer als die Texaner. In Italien kann es keinen “aumento della Kriminalità“ mehr geben, nur noch eine
„escalation di criminalità„. Tutor hat längst in den Medien das Wort precettore oder docente verdrängt.
Sehr beliebt ist auch die Endung „ing“, die wir bereits aus jogging, marketing, styling etc. kennen. Relativ neu ist das Wort pressing, das pressione, bzw. azione insistente (Druckausübung) nahezu ersetzt hat, obwohl es in der englischen Sprache ganz andere Bedeutung hat.
Vom Siegeszug des Wortes club habe ich bereits gesprochen. Merkwürdigerweise sprechen es die Italiener aber weder so aus, wie man es auf Italienisch lesen würde (also „klub“), noch englisch (etwa „klab“). Aus unerfindlichen Gründen ist daraus ein „kleb“ geworden.
Ein ähnliches Schicksal erlitt das Wort bluff, welches irgendein Sprachgenie anfing, „bleff“ auszusprechen, was jetzt alle nachäffen.
Interessant ist auch, wie in der Nachkriegszeit englische Begriffe mehr und mehr die französischen verdrängt haben, die in der italienischen Sprache üblich waren. So hört man sehr oft statt necessaire (Kulturbeutel) beauty- case, statt roulotte (Wohnwagen) caravan, während aus mannequins längst top models geworden sind und aus maquillagemake up.
Die pessimistische Aussage über die Weiterentwicklung der italienischen Sprache ist, dass sie immer weniger in der Lage ist, eigene Worte zu prägen, immer weniger zu übersetzen, Neuschöpfungen zu produzieren und sich anzupassen. Die vorherrschende Lösung ist immer dieselbe: Es wird aus dem Englischen importiert ohne jegliche Anpassung. Wenn die Neologismen immer mehr mit den Anglizismen übereinstimmen, landet man unweigerlich im Italenglisch: einer anscheinend italienischen Struktur mit einer immer dickeren und massiveren Menge englischer Wörter.
Das Englische als Lingua
Franca in Italien: Bereiche-
rung oder Gefahr für die Wissensvermittlung und Gesellschaft?