Landschaften/ Orte


Liguriens Palmen

Als ich als Kind erstmals nach Italien kam, machten die Dat­tel­palmen einen unauslösch­li­chen Eindruck auf mich. Später gewöhnte ich mich an sie. Ich nahm sie kaum noch wahr. Auch als ich von Italien wegzog, än­derte sich kaum etwas an dieser Tat­sache. Nur all­mäh­lich vollzog sich der Wandel der Erin­nerung. Denn wenn ich heute wieder nach Ligurien komme und – aus dem Zugfenster schauend – die ers­ten Palmwedel sehe, sehe ich dieses Land fast wieder mit den Augen eines Fremden, der Italien neu entdecken will.
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Verschiedene Arten von Palmen sind an der Riviera so weit verbreitet und prägen derart stark das Landschaftsbild – sie haben sogar einem ganzen Küs­ten­streifen den Namen gegeben, der Riviera delle Palme (Palmen­ri­vie­ra) – dass man meinen könnte, sie gehörten seit jeher zur Landschaft. Dabei wurden sie vor nicht allzu langer Zeit, nämlich in der zwei­ten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein­ge­führt, vorwiegend aus Nord­afri­ka. Sie sind zum Symbol der Riviera geworden.

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Palmen gehören nämlich nur marginal zum Mit­tel­meerraum: Sie stammen aus tropischen und sub­tro­pi­schen Feuchtgebieten; nur wenige Arten kön­nen in ge­mä­ßig­ten Re­gio­nen gefunden werden. Eine Ausnahme ist die Zwerg­palme (Chamaerops humilis), die aus dem Mittelmeerraum stammt.
So unterscheidet sich die Pflanzenwelt der Ri­vie­ra, die zum großen Teil aus eingewanderten Pflanzen besteht, die man sich heute gar nicht mehr fort­den­ken kann, beispielsweise sehr von jener der Toskana, wo es kaum Orangen­bäu­me, Palmen und Kakteen gibt. Am gemeinsamen Urpflanzenbestand gibt es nur der Oli­ven­baum, die Weinrebe, die Zypresse, gewisse Piniensorten und der Lorbeer.
In den Fremdenverkehrsorten wurden viele Arten, wie die Agaven und die Pal­men, aus Afrika, oder wie die Magnolie, aus Asien, eingeführt. Das ligu­ri­sche Klima ist ideal für diese Arten, die nicht selten die autochthone Flora verdrängt haben.
Ein herausragendes Beispiel dafür sind die Hanbury-Gärten am Capo Mortola bei Ventimiglia, die auf Initiative von Thomas Han­bu­ry von dem deut­schen Gärtner Ludwig Winter angelegt wurden. Auf diesen geht ein Großteil der botanischen Ent­wick­lung der Riviera zurück.
Die an der Riviera am häufigsten zu findenden Pal­menarten sind die Ka­na­ri­sche Dat­tel­pal­me (Phoenix canariensis) mit dickem, gedrungenem Stamm und die Echte Dattelpalme (Phoenix dacty­lifera) mit hohem, schlankem Stamm. Die Dat­tel­pal­men, die an der Riviera ihre nörd­lichste Ver­brei­tungs­zo­ne haben, gedeihen in dieser Gegend nicht bis zur Frucht­reife, denn sie sind gegen Luft­feuch­tig­keit sehr empfindlich. Meist sind es deshalb auch unechte Dattelpalmen oder an­dere Palmenarten, wie die Washingtonia-Palmen, die man hier findet.

Genua und Ligurien
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Washingtonia
Die Washingtonia-Palme ist eine Fächerpalmenart aus Südkalifornien und Arizona. Ihr stattlicher Wuchs mit aufrechtem Einzelstamm macht sie zur idealen Alleepflanze.
Washingtonia robusta
Phoenix canariensis
Die stammbildende hohe und stammlose Busch­pal­me Phoenix canariensis oder Kanarische Dat­tel­pal­me ist eine Fie­der­pal­me, deren Heimat die Kana­ri­schen Inseln sind. Sie kann eine Höhe von bis zu fünfzehn Metern erreichen und besitzt einen auf der Ober­fläche rauen Stamm von bis zu einem Meter Durch­mes­ser. Die Palm­kro­ne kann bis zu acht Meter Breite erreichen. Die Wedel sind leicht gräulich getönt.
In der Jugend hat die Phoenix canariensis mit ihren sparrig abstehenden Blät­tern keinen Stamm. Der gedrungene, durch die Blattbasen der ab­ge­fal­le­nen Blätter eigenartig gemusterte Stamm trägt am Ende eine eindrucksvolle We­delkrone.
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Die Kanarische Dattelpalme beginnt erst dann in die Höhe zu wachsen, wenn der Stamm einen be­stimm­ten Durchmesser erreicht hat. Alte Exemplare ha­ben einen sehr dicken Stamm und eine von zahlreichen Wedeln gebildete Krone. Die Früchte sind deutlich kleiner als die Datteln der Phoenix dactylifera und haben keinen guten Geschmack. Sie gelten als ungenießbar.
Phoenix dactylifera (echte Dattelpalme)
Die Phoenix dactylifera ist eine aus dem Nahen Os­ten und Nordafrika stam­mende Fiederpalme. Ihr Stamm wächst gerade, kann eine Höhe von zwanzig Metern und mehr erreichen und ist mit den breiten Blattbasen der abge­wor­fenen oder zur Pflege ab­ge­schnit­te­nen Wedel bedeckt. Er ist etwas schlan­ker als bei der Phoenix canariensis. Die ein­drucks­volle Wedelkrone kann bis zu sechs Meter Breite erreichen.

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Auch der Stamm der echten Dattelpalme ist von den Narben der abgefallenen Blätter gemustert. An seinem Ende trägt er eine Krone aus wachsgrünen, ca. drei Meter langen Wedeln und eine Anzahl verzweigter Blütenstände. Die Kro­ne ist nicht so dicht wie bei der Phoenix canariensis.
Was ich immer schon wissen wollte
Palmen werden im Allgemeinen als pflegeleichte Pflanzen betrachten. Die meisten Palmen behalten eine bestimmte Anzahl Blätter. Mit dem Wachstum sterben die unteren Wedel ab und werden durch neue ersetzt. Die abge­stor­be­nen Wedel fallen meistens ab und hinterlassen nach ihrem Absterben ver­holzte Spieße auf der Rinde. Das Alter der Palmen kann man an den Nar­ben die am Stamm zurückbleiben ablesen.
Junge Palme
(Naturzustand)
Junge Palme
(gestutzt)
In der Wildnis oder wo es nicht stört, ist kein Stutzen des Stammes üb­lich. In den Gärten und Parkanlagen werden allerdings die abgestorbenen Palmwedel in einer jährlichen Schönheitsoperation abgeschlagen. Erst dadurch be­kom­men die Pal­men­stäm­me ihr charak­te­ris­ti­sches „Ana­nas­mus­ter“. Bei höheren Palmen werden „Klet­terer" einge­setzt. Mit einem Gurt gesichert klettern sie auf die Palme und schla­gen die alten Palmwedel ab.
Vom rein biologischen Gesichtspunkt ist eine Be­schneidung der Palmen nicht sinnvoll, denn auch die tro­cke­nen Wedel haben ihre Funktion, als Schutz ge­gen Sonne, Kälte und Wind. Die Beschneidung erfolgt aus rein ästhe­tischen Gründen.
Tropische Abendstimmung mit Palmen in Nervi (Genua)
Nicht nur die Palmen sind „Einwanderer" in Ligurien. Auch Agaven, Orangen, Magnolien und die Opun­tienkakteen wurden importiert und haben die hei­mi­sche Flora sogar teilweise verdrängt. Und – hätte man das gedacht? – so­gar die Mimosen, die zum Symbol des früh einsetzenden Frühlings in Ligurien ge­worden sind, sind nicht au­toch­thon, sondern stammen aus Tasmanien.
Palmenbestand in Gefahr
Ursprünglich aus Asien stammend verbreitet sich in den letzten Jahren im gan­zen Mittelmeerraum der Rote Palmen-Rüsselkäfer (Rhyn­cho­pho­rus fer­ru­gineus), ein Käfer, der sämtliche Pal­men­be­stän­de bedroht. Auch an der ita­lie­nischen Riviera muss man sich Sorgen um die Palmen­be­stän­de ma­chen. Schon haben die Schäd­lin­ge zahlreiche Palmen in San Remo und an­de­ren Ort­schaf­ten Li­gu­riens be­fal­len und dro­hen, das me­di­ter­rane Flair der Ri­vie­ra zu beschädigen. Schließlich stehen allein in Ligurien mehr als 200.000 präch­ti­ge Palmen. Die erfolgreichste, aber sehr auf­wen­dige Methode zur Ab­wehr der Kä­fer scheint zu sein, die Stämme der Palmen mit bioakustischen Messgeräten zu überwachen und Palmen sofort zu vernichten, sobald das Schmatzen der Larven zu hören ist.
Dass Palmen im Norden Italiens nicht heimisch sind, ist also bekannt. Nur in Ligurien gelten sie als dazugehörend. Dass es nicht überall so ist, zeigt eine Episode, die sich im Februar 2017 in Mailand ereignete:

Der US-amerikanische Kaffeekonzern Starbucks finanzierte dort einen exo­ti­schen Garten vor dem Mailänder Dom. 42 Exemplare der chi­ne­sischen Hanf­palme (Trachycarpus fortunei) soll­ten an­ge­pflanzt wer­den, hin­zu Ba­na­nen­stau­den und andere Exoten. Drei Jahre lang sollte der Gar­ten den Platz schmücken. Kaum war die erste Palme gepflanzt, schon mel­de­ten sich die ersten Kritiker zu Wort. Aus ökologischer Sicht seien Pflanzen sinn­vol­ler, die in Italien heimisch seien, lautete eine der Kritiken. Bald entdeckte auch die politische Rechte das Thema für sich. Nach einer Demonstration stand bereits eine der Palmen in Flammen. "Verhindert die Afri­ka­ni­sierung Mailands" war eines der Mottos.

 
 
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