Die Redensart „Neapel sehen und sterben" scheint ganz gut zum heutigen Image
dieser Stadt zu passen. Nur: Die eigentliche Bedeutung dieses
Satzes ist eine durchaus positive: Im Original heißt es
„Vedi Napoli e poi muori“, was wörtlich
übersetzt „Sieh Neapel und dann stirb" bedeutet.
Gemeint ist, dass, wenn man die Schönheit Neapels gesehen
kann, man getrost sterben kann. Denn man wird niemals etwas
Schöneres zu sehen bekommen.
Ein Rat: Wenn Sie nach Neapel mit dem Auto fahren, laden Sie Ihr Gepäck aus und parken Sie Ihr Gefährt. Und rühren Sie es bis zum Tag Ihrer Abreise nicht mehr an!
Napoli (neapolitanisch: Napule),
die Hauptstadt der Region Kampanien, ist nach Rom und Mailand die drittgrößte Stadt Italiens. Die Stadt hat etwa
eine Million Einwohner, zusammen mit den Vororten weist der
Großraum Neapel aber über vier Millionen Einwohner
auf.
Aussicht mit Vesuv, auf einer alten Ansichtskarte
Als der Geschichte Italiens
nicht kundiger Mensch neigt man dazu, mit dieser Stadt hauptsächlich
Unterentwicklung und Kriminalität zu assoziieren, allenfalls
einen Ausgangspunkt für die Besichtigung von Pompei, Herculaneum,
Capri und der Amalfiküste. Sollte man dazu noch das Buch
„Gomorrha" von Roberto Saviano gelesen haben, so dürfte sich die Begeisterung, dieser
Stadt einen Besuch abzustatten, noch mehr in Grenzen halten.
In der Vorstellung der Deutschen ist das Image Neapels längst ruiniert. Wen interessiert da noch, dass Neapel auch eine Stadt der Kunst ist, der Musik, der Lebensfreude?
Aussicht des Maschio Angioino auf einer
alten Ansichtskarte
Mehr als jede andere
Stadt Italiens ist Neapel eine Stadt der Gegensätze. Sie wird einerseits (zu Recht) als die lauteste, schmutzigste und vor allem als die chaotischste
Stadt der Welt gesehen, deren Bewohner ausschließlich Faulenzer,
Diebe oder Verbrecher sind, oder man meint, sie sei die schönste und
lebendigste Stadt der Welt, deren
Einwohner die erfinderischsten, kontaktfreundlichsten und
liebenswürdigsten Menschen sind. Möglicherweise stimmt beides.
Abendliche Aussicht auf die Stadt
Geschichte
Bereits unter
den Normannen erreichte Neapel ungewohnte Blüte. Die Normannen
verstanden es, durch eine kluge Innenpolitik die unterschiedlichen Wurzeln
der Region (römisch, byzantinisch, arabisch) zu einer eigenständigen
kulturellen Einheit verschmelzen zu lassen.
Eine Reise nach Neapel
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Gebrauchsanweisung
für Neapel
1194 traten
die Staufer an die Stelle der Normannen, Friedrich II. gründete 1224 die Universität
Neapel, die erste staatliche
Hochschule Europas. Unter den Aragonesen im 15. Jahrhundert wurde die Stadt zu
einem Zentrum der italienischen Renaissance. Anfang des 16. Jahrhunderts wurden Stadt und Königreich
Neapel dem spanisch-habsburgischen Weltreich angegliedert. Das war leider der Anfang einer Epoche, während der die Stadt einen wirtschaftlichen und politischen
Tiefpunkt
erreichte. Dennoch war Neapel im 16. Jahrhundert die größte
Stadt Italiens und nach Paris die zweitgrößte
Europas.
Auf dem Fischmarkt in Neapel
Als die Bourbonen 1735 Süditalien von den Österreichern
übernahmen, verbesserten sich der Verhältnisse erheblich. Im 18. Jahrhundert wurde Neapel sogar zu einem Zentrum der europäischen
Aufklärung.
In der Altstadt
Der französische Schriftsteller
Stendhal schrieb: „Neapel, die große,
geschichtsträchtige Stadt, ist, zusammen mit Paris,
die einzige denkbare Hauptstadt Europas.“
Diese wenigen Informationen reichen, um zu verdeutlichen, welche
außerordentliche Rolle Neapel für die europäische
Kultur bedeutet hat. Sogar in der Musik spielte Neapel über
Jahrhunderte hinweg eine wichtige Rolle.
Mit der Neapolitanischen Schule kreierte Neapel im 17. Jahrhundert sogar eine Opern-Stilrichtung, die die Geschichte der europäischen
Oper nachhaltig beeinflusste. Der bis heute auch international
noch bekannteste Opernsänger ist Enrico Caruso (1873-1921), ein Sohn der Stadt. Das Teatro San Carlo ist zwar im Ausland nicht so bekannt wie die Mailänder Scala, es gilt aber nach
wie vor als eines der bedeutendsten Opernhäuser Italiens.
Kontaktfreudige Kinder
Geprägt
wurde Neapel aber auch dadurch, dass sie mehr als jede andere
Stadt von Katastrophen wie Erdbeben, Krieg und Pest heimgesucht wurde.
Dem Erdbeben und Vesuvausbruch des Jahres 1631 folgte
1654 die schrecklichste Pest, die jemals registriert wurde. Auch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs brach
der Vesuv wieder aus. Die letzte Choleraepidemie (1974) wurde schließlich von dem schrecklichen
Erdbeben am 23. November 1980 gefolgt, dessen Spuren noch heute zu sehen sind.
Ein Plädoyer
Dass Neapel für viele Nichtitaliener der Inbegriff italienischer
Lebensart bleibt, ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Stadt
und ihre Einwohner sind nach wie vor (im Positiven, wie im
Negativen) etwas ganz Besonderes.
Obwohl ich inzwischen seit Jahrzehnten in München lebe, könnte ich niemals behaupten, dass Hamburg,
Berlin oder Köln eine besonders große Rolle für
mein „deutsches" Leben gespielt hätten. Anderes gilt für die 22 Jahre, die ich in Italien verbracht
habe: Wenn ich darüber nachdenke, auf welche Weise
ich Italien kennengelernt und erlebt habe, von meiner Kindheit
an, als ich ins Land kam (Genua), bis hin zu meinen späteren
Erfahrungen, dann ist es mir völlig klar, dass Neapel eine gewaltige
Rolle dabei gespielt hat.
Artischockenverkäuferin
Allein das Kino: Was Karl
Valentin für die Münchner war, war Totò nicht nur für die Neapolitaner, sondern für alle
Italiener. Eine Ikone des Humors. Er lebt mit seinem Witz, seinen
Wortspielen und vor allem mit seiner menschlichen
Wärme weiter in den Herzen aller Italiener. Er war die
Verkörperung des neapolitanischen Wesens (der „napoletanità“)
und der „Italianità“ in einer Person.
Sophia Loren , der Inbegriff des neapolitanischen Weibes, war der fleischgewordene Traum aller italienischen Heranwachsenden
(und nicht nur dieser). An Sophia und den anderen „maggiorate“ (kurvenreichen Frauen) orientierten sie sich in ihren
erotischen Träumen.
Italienische Musik wäre
ohne Neapel nicht denkbar. Die Canzone Napoletana,
das neapolitanische Volkslied, hat eine lange Tradition. „Canzoni“
wie „Funiculì, funiculà“, „O sole
mio“, „Core ingrato" sind Welthits. Die berühmtesten
Opernsänger nehmen sie in ihr Repertoire auf. Denn sie knüpfen
direkt an die Tradition der italienischen Oper an.
A città 'e Pullecenella (Die Stadt von Pulcinella)
Pulcinella ist eine in Neapel heiß geliebte Figur des neapolitanischen Volkstheaters. Es handelt sich zumeist um einen schlauen, listigen, groben und zugleich einfältigen und tölpelhaften, gefräßigen Diener bäuerlicher Herkunft.
Versuchen Sie nicht, das auf dem Video gespielte Lied zu verstehen. Es ist im neapolitanischen Dialekt. Wenn Sie es dennoch entziffern möchten, dann klicken Sie in der unteren Leiste auf „Youtube“. Dort finden Sie den neapolitabnischen Text.
In der Hafenstadt Neapel sind die Lebensbedingungen hart,
es gibt viel Armut, und doch wundert man sich über den
temperamentvollen Frohsinn und die überbordende Lebensfreude
der Neapolitaner. Und über die Freundlichkeit, die sie
immer noch dem Fremden entgegenbringen.
Als ich das Foto der
Artischockenverkäuferin machte, war ich in
Begleitung einiger Deutschen und eines neapolitanischen Freundes.
Nicht nur, dass wir auf ein – kostenloses – Artischockenessen
eingeladen wurden. Vom Haus gegenüber wurde auch prompt
ein Korb mit Wein für uns ausländische Gäste
heruntergelassen, und ein Ziehharmonikaspieler sorgte gleich
für Musik. Ich war zu Tränen gerührt. Es war,
als wären wir in eine große neapolitanische Familie
aufgenommen worden.
Neapel: ein Alltagstheater voll pulsierenden
Lebens! Neapel ist die einzige „menschlich-lebendige"
Altstadt Europas. Vergessen Sie alles, was Sie bisher über
Neapel gehört haben.
Meine geniale Freundin: Band 1 der Neapolitanischen Saga
Sprachführer Italienisch für die Reise. Die wichtigsten Wörter & Sätze für unterwegs.