Landschaften/ Orte

Boccadasse (Genua)

Jedes Mal, wenn ich nach Ge­nua komme, fiebere ich dem Augenblick entgegen, an dem ich das alte Fi­scher­dorf Bocca­dasse besuchen kann.
Im Sommer ist ein semifreddo (Softeis) ein absolutes Muss. Es ist eines der Besten Ge­nuas. Im Winter, wenn die mareggiata (stür­mische See) die Wellen über den Strand peitscht, kann man sich in die Zeit zurück­ver­setzt fühlen, als dieses Genu­eser Viertel noch ein autono­mes Fischerdorf war, als Fischen noch ein gefährlicher, anstrengender Beruf war und nicht ein Zeitvertreib von alt­ein­ge­sessenen, tra­di­tions­be­wuss­ten Menschen.
Die ligurische Metropole Genua ist zwar als Hafenstadt, aber kaum als Tou­ris­tenziel be­kannt. Laden doch der Hafen und die In­dus­trie­viertel, die sich dem Durch­reisen­den präsentieren, nicht gerade zum Verweilen ein. Dabei hat diese Stadt weit mehr zu bieten: Die mittelalterliche Altstadt gilt als eine der größten Europas, eine Art Kasbah, die viel Atmosphäre und allerhand ar­chi­tek­tonische Juwele zu bieten hat; und dann die vielen wunder­vollen Ecken am Meer: den Corso Italia, Boccadasse, Capo Santa Chiara mit seiner wunder­baren Aussicht, Quarto, Quinto, Nervi.
Boccadasse ist der Endpunkt vieler Sonn­tags­spa­zier­gän­ge auf dem Cor­so Italia, der kilo­me­ter­lan­gen Ufer­pro­me­nade von Genua. An der Kirche von Sant'Antonio vorbei gerät man zu einem Aus­sichts­punkt, der sich ober­halb von Boccadasse befindet, und von dem aus man die einmalige Ku­lis­se dieses kleinen Ortes genießen kann.

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Das alte Fischerdorf Boccadasse ist ein Stadtteil im Stadtteil, aber auch ein antikes, ursprünglich gebliebenes Dorf mitten in ei­nem modernen Viertel. Sein Name soll auf die Form der kleinen Bucht zurückgehen, die wie ein Eselsmaul aussieht, was im ge­nue­ser Dialekt „böcca d'äse“ heißt.
Die Kirche von Sant'Antonio
Die Piazzetta, die Fischerboote, der kleine Strand, die verschachtelten, über­einander getürmten kleinen Häuser Boccadasses mit ihren pastellfar­be­nen Fassaden und das pit­toreske Durcheinander von schmalen Durch­gän­gen, stei­len Treppen und hand­tuch­schma­len Gässchen sind der per­fek­te Rahmen für das unvergleich­liche Panorama des Golfes bis nach Portofino. Boccadasse ist ein ro­man­tischer Ort für Verliebte.
Das alte Viertel – in dem übrigens auch Livia, die ewige Verlobte des Com­mis­sario Mont­al­bano in den Krimis des Schriftstellers Andrea Camilleri wohnt – ist ein bezau­bern­der Ort, wo seit unzählbaren Generationen die Ge­nueser an lauen Som­mer­aben­den oder sonnigen Wochen­en­den fla­nie­ren ge­hen, ihre Kinder am Strand spielen lassen, Son­nen­un­ter­gänge bewundern und – das berühmte Eis der ANTICA GELA­TERIA AMEDEO essen. Eine Ge­la­teria (Eisdiele), die es seit 1927 gibt, und eine der wenigen, die in jeder Jahreszeit Eis herstellen.

Was geschieht, wenn die Idylle von den Kräften der Na­tur zer­stört wird, zeigt das fol­gen­de Vi­deo, wel­ches die „ma­reggiata“ (Sturm­flut) vom 29. Ok­to­ber 2018 do­ku­men­tiert.
Die Hintergrundmusik dises Videos ist das genueser Lied „Da a me riva“ des ita­lie­nischen „cantautore“ (Liedermacher) Fabrizio De André.
Textübersetzung
Von meinem Ufer aus
nur dein leichtes Taschentuch,
von meinem Ufer aus
in meinem Leben,
dein bitteres Lächeln
in meinem Leben
Du wirst mir meinen Kummer verzeihen,
aber ich denke an dich gegen die Sonne
und ich weiß, dass auch du aufs Meer schaust,
das etwas größer ist als der Schmerz
Und ich blicke aus dem Fenster,
angelehnt an diese alte Truhe,
und ich bin hier, um
drei Samthemden zu sehen,
zwei Decken und die Mandoline
und ein Tintenfass aus Holz.
Und in einer schwarzen Kappe
sehe ich dein Bild als junges Mädchen,
um wieder Genua küssen zu können
auf deinen Mund in Mottenkugeln.

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Boccadasse ist ein Viertel, das die Genueser innig lieben, gerade weil es in all den Jahren unverändert geblieben ist. In Boccadasse scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Es gibt keine Badeanstalten und man hört nichts vom Ver­kehr. Das Dorf scheint, mit seinen kleinen Gassen, die auf einer Seite an­steigen und über den Capo Santa Chiara hinunter nach Vernazzola führen, völlig un­ver­ändert zu sein.
Mareggiata (Foto von Carlo Morsilli)
Boccadasse gleicht eigentlich einem Büh­nen­bild, das vom Rest der Stadt um­geben ist. Dennoch gibt es noch heute eine kleine Fischerflotte, die ihrem jahrhundertealten Beruf nachgeht. So kann man noch Fischer, meist alte Männer, beim Flicken der Netze beobachten, während zahlreiche Katzen in der Sonne dösen, in hoffnungsvoller Er­war­tung, dass einer der Fischer, be­rührt von ihrem leisen Miauen, ihnen ein kleines Fischlein zuwirft.
Festa di Sant'Antonio (Foto von Carlo Morsilli)
Von religiösen Zeremonien bis zum Tauchen, von Wohltätig­keits­ver­an­stal­tun­gen bis zum Feuerwerk: Das alte Fischerdorf feiert jedes Jahr am 13. Juni das traditionelle Pa­tro­zi­niumsfest zu Ehren des heiligen Anto­nius von Padua.

Die Gründung von Boccadasse scheint auf spanische Fischer zurückzugehen, die durch Unwetter ge­zwun­gen waren, hier an Land zu gehen, wo sie blieben und den klei­nen Hafen gründeten. Heute lebt Boccadasse kaum noch vom Fischfang, sondern auch dank der klei­nen Kunstgalerien, der Eisdielen, der Res­tau­rants und vom Besuch junger und älterer Sonnenhungriger, die sich auf seinen Felsen sonnen.
Seltener Schnee (Foto von Carlo Morsilli)
Der genuesische Mundartdichter Edoardo Firpo widmete seinem geliebten Boccadasse ein paar Verse:
Sinngemäß übersetzt: „Mein Boccadasse, wenn man vom Chaos der Stadt bei dir an­kommt, ist es, als würde man zurück in seine Wiege kommen, oder in die Arme seiner Mutter fallen ....."
GEFÜHRTE TOUREN GENUA
Oberhalb des Ortes befindet sich der Kap von San­ta Chiara, wo sich zwei kleine Schlösser be­finden und von wo man eine herrliche Aussicht auf den Golf von Genua genießen kann mit dem Berg Portofino als eindrucksvolle Kulisse.
Was wohl kaum einer weiß: Der Name dieses kleinen genueser Viertels stand Pate bei der Benennung des Viertels La Boca in Buenos Aires, das größten­teils von Genuesern be­sie­delt wur­de. Auf den Trikots des argentinischen Fußballvereins Boca Juniors steht geschrie­ben Zeniexes (Genueser).
Der genuesische Mundartdichter Edoardo Firpo widmete seinem geliebten Boccadasse ein paar Verse:
Sinngemäß übersetzt: „Mein Boccadasse, wenn man vom Chaos der Stadt bei dir ankommt, ist es, als würde man zurück in seine Wiege kommen, oder in die Arme seiner Mutter fallen ....."