Wissenswertes

Italiensehnsucht



Booking.com
Erst Goethes „Italienische Reise" brach­te die Zitrone - pardon, den Stein - ins Rollen. Er nahm vorweg, was Italien in der folgenden Zeit für viele Künstler werden sollte: eine Quelle der Inspiration!
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl? Dahin! Dahin
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

Seit immer träumen die Deutschen vom Land südlich der Alpen: Das Meer, die Sonne, der Wein, „l'amo­re“, sie erzeugen eine immerwährende Sehn­sucht! Wenn auch die Deutschen inzwischen auch noch weitere, ent­ferntere Ur­laubs­zie­le anpeilen, so lieben sie immer noch das Bild Italiens, das in ihrer Fan­tasie verankert ist. Es erinnert an „dolce far niente“, an die Leich­tig­keit des Lebens und an viel, viel Sonne.

Die Deutschen fühlten sich seit eh und je von dieser vermeintlichen Leich­tigkeit des italienischen Le­bens gelockt. Bereits im Mittelal­ter gab es ein besonderes Ver­hält­nis vieler Deutscher zu Italien. Das aus dem Reich Karls des Großen hervor­ge­gan­gene Heilige Römische Reich Deutscher Nation sah sich als Wie­der­her­stellung und Fortsetzung des Römischen Reiches unter christlichen Vor­zei­chen. Dieses Reich hatte seinen Schwerpunkt in Italien, zunächst in Rom, wo durch den Papst die Kaiserwürde verliehen wurde, zu Barbarossas Zeiten dann vornehmlich in den oberitalienischen Städten.

Goethe in der Campagna (Johann H. W. Tischbein)
Doch erst mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und Johann Wolfgang von Goethes Werk „Italienische Reise“ entstand ein größeres Interesse von Deutschen an Italien und seiner ruhmreichen Ver­gangenheit, das sich im Bereich der Kunst beispielsweise in der deutschen Romantik wiederfindet.

Spaziergang nach Syrakus
Goethe - Italienische Reise
Das Italien-Lesebuch: Neue Impressionen aus dem Land der Sehnsucht
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 von Johann G. Seume
Italienische Reise von Johann W. von Goethe
Das Italien-Lesebuch

In diesen Gegenden muss man zum Künstler wer­den.“ Mit seiner „Italie­ni­schen Reise“ war Goethe der Trendsetter, er offenbarte ein Italien, das für viele be­deu­ten­de Künstler zum Ziel werden sollte: Ein Land, dessen Vielfalt die Künst­ler, insbesondere die Maler, in­spi­rierte und die Kunstwelt enorm be­rei­cherte. Diese Künstler gaben der Landschafts­ma­le­rei grundlegende neue Impulse. Ihre Werke stell­ten manchmal die ideale Land­schaft dar, manch­mal wie­der­ga­ben sie ei­ne ge­naue Beo­bach­tung der Na­tur, oder sie folg­ten allein der Intuition des Künst­lers. In diesem Prozess wurde die Dominanz der His­to­rienmalerei zu Gunsten der Landschaftsmalerei überwunden.
Am Strand von Neapel (Oswald Achenbach)
Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn“ führte aber auch zur kollektiven Sehnsucht der Deutschen, die dem nass-grauen Alltag ihrer mittel­eu­ro­päi­schen Heimat entkommen wollten. Der Dichter führte die immer nach histo­ri­schen Stätten und literarischen Bezügen suchenden Bildungs­bür­ger und Stu­dien­rei­sen­den ins Land. Ob Florenz Rom, Assisi oder Nea­pel. „Wer Italien bereist, ver­bin­det den Kunstgenuss wenigstens als Nebenzweck mit seinen Wan­de­run­gen“, schrieb Karl Baedeker.
Allegorie der Italiensehnsucht:
(Wilhelm von Schadow, 1828)
Im Laufe der Jahr­hun­derte änderte sich die Art des Reisens fort­wäh­rend. Im Mit­tel­alter waren es vornehmlich Pilger und Ritter, die aus re­li­giö­sen oder an­de­ren Grün­den die mü­he­vol­le Rei­se nach Rom un­ter­nah­men und sich dabei kaum für Land und Leute und schon garn nicht für Kunst interessierten. Erst ab dem 17. Jahr­hun­dert kamen neue Be­weg­grün­de hinzu. Es wurde üblich, dass jun­ge Ade­lige ein Inte­res­se für fremde Länder und Sit­ten ent­wi­ck­el­ten, um durch die ge­wonnene Erfahrung die Eignung zu höheren Äm­tern zu erlangen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts un­ter­nahm man Kunst-Reisen des ästhetischen Genusses wegen, im 19. Jahrhundert wurden daraus idea­lis­ti­sch geprägte Bildungsreisen, romantische Reisen zur Kunst oder schwärmerische Fahrten zu den Schönheiten der Natur.

Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, die Zeit des Klassi­zismus, bedeutete die Ita­lien­sehn­sucht schwerpunkt­mä­ßig eine Rück­be­sin­nung auf die klassischen Alter­tü­mer. Viele Dich­ter und Maler gin­gen nach Italien, um auf den Ori­gi­nal­schau­plät­zen ein­en Eindruck zu bekommen. Italien wurde nicht nur wegen der geographischen Nähe bevorzugt, sondern auch, weil Griechen­land, damals noch Teil des Osmanischen Reiches, kein einfach zu bereisendes Land war. Die Spu­ren Grie­chen­lands konnte man immerhin in der ehemaligen „Magna Graecia“, den griechischen Kolonien in Süditalien und Sizilien.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Jacob Philipp Hackert, Johann Wolfgang Goethe, Christoph Hein­rich Kniep und Johann Gottfried Seume, nur um einige zu nennen, reisten nach Italien und hielten ihre Eindrücke in ihren Bildern und Texten fest. Die be­rühmteste aller dieser Reiseschilderungen ist zweifelsohne die Italienische Reise Goethes. Johann Hermann Riedesel schrieb einen der ersten Reiseführer Italiens.
Rom wurde der wichtigste Anziehungspunkt für die deutschen Künstler. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunders lebten allein in Rom mehr als fünf­hun­dert deutsche Maler, Bildhauer und Architekten. Letztere, wie Leo von Klenze, Frie­drich von Gärtner und Karl Friedrich Schinkel interessierten sich auch für die Architektur der Magna Graecia.
Nostalgie-Doku: Reisen in den 1950ern

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam als Ziel des Reisens auch das Inte­res­se am Sozialen und an der politischen Gegenwart des bereisten Landes hinzu. Im 20. Jahrhundert kam schließlich der moderne Massentourismus auf, des­sen wichtigstes Ziel die Erholung ist.

Das Lied „Die Capri-Fischer“ war ein im Jahr 1943 geschriebener berühmter deut­scher Schlager, des­sen Wie­dergabe im deutschen Rund­funk zu­nächst nicht erlaubt war, weil 1943 die Alliierten bereits auf Capri gelandet waren. Erst in der Nach­kriegs­zeit wurde er zum Welterfolg. Das Lied stand bei­spiel­haft für die Sehn­sucht der Deutschen nach Italien, dem „paese d' 'o sole“ (Land der Sonne), wie es eine bekannte neapolitanische „canzone“ treffend for­mu­liert. Eine Sehnsucht, die schon während des Krieges in zahlreichen Liedern zum Ausdruck gekommen war, aber während der Zeit des Wirt­schafts­wunders noch stärker wurde, da die wirtschaftliche Situa­tion es immer mehr bundes­deutschen Bürgern ermöglichte, das Land ihrer Träume auch zu besuchen.
Die Caprifischer
Wenn bei Capri die rote Sonne
im Meer versinkt,
Und vom Himmel die bleiche Sichel
des Mondes blinkt,
Ziehn die Fischer mit ihren Booten
aufs Meer hinaus,
Und sie legen in weitem Bogen
die Netze aus.
Nur die Sterne sie zeigen ihnen
am Firmament
Ihrem Weg mit den Bildern,
die jeder Fischer kennt.
Und von Boot zu Boot das alte
Lied erklingt,
Hör von fern wie es singt:
Bella, bella, bella Marie,
Bleib mir treu, ich komm zurück
morgen Früh,
Bella, bella, bella Marie,
Vergiß mich nie.

Das Jahrtausende alte und reiche kulturelle Erbe Italiens, das aus Städten wie Rom oder Florenz Open-air-Museen macht, spielt bei einem großen Teil der deutschen Besucher immer noch eine heraus­ra­gen­de Rolle. Mit einer tie­fer­gehenden geistigen Motivation, wie jene des 18. und 19. Jahr­hun­derts, ist das Interesse der heutigen Besucher aber kaum zu vergleichen.

Die Italiensehnsucht der Deutschen hat aber auch heute noch viele Facetten. Da fließt die Liebe zum italienischen Klima mit ein, zu den langen Som­mern mit ihren lauen Abenden, an denen sich das Leben in den Straßen und an den Stränden abspielt. Ebenso die Liebe zur Mittelmeer-Vegetation, mit ihren Palmen, Feigenbäumen, Agaven und Oliven­hainen.

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkten sich die Urlaubserlebnisse der Italienurlauber auch auf das Alltagsleben der Deutschen in der Heimat aus und verstärkten die „Italiensehnsucht“.
Die Vorliebe der Deutschen für die italienischen Speisen ließ auch zu Hause einen Boom der ita­lie­nischen Küche entstehen, was für zahlreiche ita­lie­nische „Gastarbeiter“ zur neuen Erwerbs­quel­le wur­de. 3/4 der Eis­die­len in Deutsch­land stehen unter italienischer Leitung.

O Sole Mio/Capri-Fischer/+ Ho capito! - Typische Italienisch-Fehler sicher vermeiden: Niveau A2 - B2
O Sole Mio/Capri-Fischer/+
Ho capito! - Typische Ita­lie­nisch-Fehler ver­mei­den: Niveau A2 - B2

Die Liebe zur italienischen Lebensart (Stichwort: „Dolce Vita“) und die sich da­raus ergebende Liebe zu italienischen Produkten ist ebenso ein Aspekt die­ser ungestillten Sehnsucht. Italienische Waren erfreuen sich in Deutsch­land, Ös­ter­reich und der Schweiz enormer Beliebtheit, ob es sich um Lu­xus­artikel, Le­bens­mittel oder Fahrzeuge handelt. Der Motorroller "Vespa" ge­nießt bei uns zu Lan­de Kultstatus! Ferrari-, Maserati- und Lamborghini-Autos gelten als Kunst­werke auf Rädern. Olivenöl „extra vergine“, Pastagerichte, Chianti-Wein und Espresso sind aus der kulinarischen Italiensehnsucht der Germanen nicht mehr weg­zu­denken.

Vor allem in der Mode gesteht man den Italienern Stilführung zu. Italienischer Stil ist für unseren südlichen Nachbarn Exportschlager: Exklusive italienische Taschen, Schuhe und Accessoires begeistern mit Originalität, eleganten Designs und Glamour.


Italien ist immer noch ein kulturelles Ziel geblieben, sogar für die Jugend. So fin­den jedes Jahr unzählige Stu­dien­fahr­ten statt insbesondere auf den Spu­ren großer deutscher Dichter. Ein Hauptziel solcher Klassen­fahr­ten ist Rom, die „Ewige Stadt“, die Spu­ren von weit mehr als zweitausend Jahren Geschichte aufzuweisen hat.
Der Kolosseum in Rom (Lizenz)
Selbstverständlich kommt bei solchen Fahrten auch der Spaß nicht zu kurz. Beliebt ist beispielsweise die Illuminati-Tour, die durch die Schauplätze des gleichnamigen Filmes mit Tom Hanks führt. Auf diesem Rundgang begibt man sich auf den Spuren der im Film (welcher auf dem Roman "Illuminati" von Dan Brown basiert) geschilderten Geheimnisse von Rom. Eine weitere interessante Tour ist die Borgia-Tour, die das Leben der korrupten Borgias unter Papst Alexander VI. (Rodrigo Borgia) als Leitfaden hat.
 
 
Kennst du das Land: Die hun­dert schöns­ten Ita­lien-Gedichte
 
 
Spaziergang nach Syrakus
Spaziergang nach Syrakus (Johann G. Seume)
 
Sehnsucht nach Italien: Die 60 schönsten Italien-Gedichte