Mit einem Erlass von Camillo Benso di Cavour aus dem Jahr 1859 wurde die Öffnung von staatlich geführten Häusern für die Ausübung der Prostitution autorisiert. Am 15. Februar 1860 wurde das Dekret in ein Gesetz mit der Bezeichnung "Regelwerk für die Überwachung der Prostitution“ umgewandelt.
So entstanden die so genannten „case di tolleranza“, die so genannt wurden, weil sie vom Staat toleriert wurden. Die endgültige Fassung des Crispi-Gesetzesvom 29. März 1888 verbot den Verkauf von Lebensmitteln und Getränken, sowie das Tanzen und Feiern innerhalb der Bordelle. Ebenso war es verboten, die Häuser in der Nähe von Kultstätten, Schulen und Kindergärten zu eröffnen. Die Fensterläden sollten immer geschlossen bleiben, daher die Bezeichnung „case chiuse“ (geschlossene Häuser).
Über die Schließung der „Häuser" wurde oftmals debattiert, es kam aber nur zu einer Reduzierung der Tarife, womit man die Straßenprostitution zu verringern gedachte. Während des Faschismus gab es nur eine Verordnung Mussolinis, nach der so genannte „muri del pudore“ (Anstandsmauern) errichtet werden sollten, als Sichtschutz für die Häuser.
Erst in der Nachkriegszeit kam die Debatte wieder in Gang. Am 20. September 1958 wurden die Zuhälterei und die Begünstigung der Prostitution mit der so genannten „Legge Merlin“ zu Straftaten erklärt und die „case chiuse“ geschlossen. 2500 Bordelle mussten daraufhin in ganz Italien endgültig geschlossen werden. Weiterhin bestehen blieb die Straßenprostitution. Erlaubt ist auch die Wohnungsprostitution, sofern keine dritte Person ihre Wohnung zu diesem Zweck zur Verfügung stellt. Verboten ist das direkte Anlocken von Kunden durch Prostituierte. Strafbar sind auch sexuelle Handlungen auf öffentlichem Grund und Boden (auch im Auto).
Seit 1958 hat es zahlreiche Versuche gegeben, die „Legge Merlin“ zu modifizieren. Im Jahr 2003 gab es ein Gesetzvorschlag von Umberto Bossi und Stefania Prestigiacomo, nach dem die Straßenprostitution verboten werden sollte, nicht aber die Prostitution in geschlossenen, privaten Häusern. Es folgten verschiedene Vorschläge und Gesetzesvorlagen, die die Prostitution reglementieren sollten. 2008 wollte Daniela Santachè sogar auch eine Volksbefragung initiieren, um einige Punkte des Merlin-Gesetzes abzuschaffen. Jeglichte Liberalisierung ist aber bisher nicht zuletzt am Widerstand des Vatikans gescheitert.
Bisher kam es aber nur zu einzelnen Erlassen zur Eindämmung der Straßenprostitution. Beispielsweise wurde in der Italienischen Hauptstadt mit einem Erlass des Bürgermeisters Gianni Alemanno die Prostitution an öffentlichen Orten untersagt.
In Italien gibt es, laut einer offiziellen Schätzung etwa 70.000 bis 90.000 Prostituierte, die Hälfte davon Ausländerinnen. Neun Millionen soll hingegen die Zahl ihrer Kunden sein (also mehr als die Hälfte der erwachsenen Italienern). Der Umsatz soll sich um die 26 Milliarden Euro im Jahr bewegen. Prostituierte werden in Italien auch liebevoll „lucciole“ (Glühwürmchen) genannt, wegen den kleinen Lichtern, die bei sich haben, um in der der Dunkelheit gesehen zu werden.
Roberto Maroni, bis Anfang 1995 Innenminister in der Regierung Berlusconi, sprach sich einmal für die Wiedereinführung von Rotlichtvierteln zur Kontrolle der Prostitution aus. Auf diese Weise könne man eine ärztliche Kontrolle der Prostituierten garantieren und den Straßenstrich reduzieren.
Die Gesetzeslage ist bis heute alles andere als klar. Bordelle und ähnliche Einrichtungen sind in Italien zwar verboten, nicht aber die Prostitution an sich. In Italien gibt es nach wie vor Frauen, die sich prostituieren. Daran verdient aber vor allem die organisierte Kriminalität. Die Prosituierten bieten ihre Dienste an den Ausfallstraßen der großen Städte an und sind den Zuhältern nicht selten völlig ausgeliefert.
Mit dem Gesetzesvorschlag von Gleichstellungsministerin Mara Carfagna sollte (September 2008) auch die Straßenprostitution verboten werden. Damit sollte der Prostitution, die zu Frauenhandel und "Sklaverei" führe, ein „schwerer Schlag" versetzt werden, so die Ministerin der Regierung Berlusconi. Erstmals sollten durch dieses Gesetz in Italien auch die Kunden von Straßenprostituierten bestraft werden, nicht aber die Kunden von Prostituierten, die in Wohnungen arbeiten. Pikanterweise ist die Ministerin selbst als Ex-Nacktmodell und -Show-Girl in den Berlusconi-Sendern bekannt!
Schwerpunkt des Vorschlags war der Straßenstrich, denn dieser wird in Italien vor allem von kriminellen Organisationen kontrolliert. Das Gesetz sah auch vor, dass minderjährigen Ausländerinnen, die auf der Straße der Prostitution nachgehen, Unterstützung garantiert werde. Für Kriminelle, die Prostitutionsringe aufbauen, waren Haftstrafen von bis zu acht Jahren vorgesehen.
Carla Corso, Sprecherin des italienischen Prostituiertenverbandes, protestierte heftig gegen das Gesetz, wie auch die Caritas und andere Sozialverbände, die erklärten, dass Carfagna mit ihrer Bestrafungspolitik die Prostitution nur zu einem "Problem der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" reduziere, während sie hauptsächlich ein soziales Problem sei. Auch die Kinderschutzorganisation Save the Children kritisierte, dass minderjährige Prostituierte sofort ausgewiesen werden sollen, während der Staat sich bisher um diese Mädchen gekümmert hatte.
Gelesen in „La Repubblica“, März 2009: „Jetzt wo Frauen in den Zeitungen erzählen, wie sie mit Berlusconi im „groβen Bett" landeten, hat der Gesetzesentwurf der Ministerin Carfagna zur Prostitution auf einmal keine Eile mehr.“.
Am 05. November 2010 wurde die Gesetzesverordnung der Ministerin Carfagna schließlich vom Kabinett gebilligt. Allerdings mit einer Änderung: Für die „utilizzatori finali“ (Deutsch: „Endbenutzer“ = Freier) ist keine Strafe mehr vorgesehen. Böse Zungen bringen diese Tatsache mit dem Sex-Skandal in Verbindung, in den der damalige Premierminister Berlusconi verwickelt ist. Somit ist zwar „Straßen"-Prostitution strafbar, „Villen"-Prostitution hingegen nicht.
Merkwürdig ist nur, dass man an den Ausfallstraßen der großen Städte nach wie vor leicht bekleidete Mädchen sehen kann, die auf Kunden warten. Vielleicht liegt es daran, dass es kein vom Parlament beschlossenes Gesetz war, sondern nur ein „decreto legge“, eine Verordnung der Regierung. In Italien muss eine Gesetzesverordnugn innerhalb von 60 Tagen vom Parlament gebilligt werden, was meines Wissens nach in diesem Fall nicht geschehen ist.
Il ritorno delle lucciole (Die Rückkehr der Prostituierten)
Gemeint sind die italienischen Prostituierten. Seit der Wirtschaftskrise hat sich das Bild der Prostitution in Italien geändert. In einem Markt, in dem jährlich fast vier Milliarden Euro umgesetzt werden, und der bis vor Kurzem die Domäne von Frauen aus Afrika und dem europäischen Osten war, und der von der organisierten Kriminalität beherrscht war, gibt es immer mehr italienische Frauen, die sich der Prostitution hingeben. Sie sind selbstständig, arbeiten auf der Straße oder in Wohnungen, sehr oft auch nur als Nebenjob-Prostituierte. Man kann sie nicht mit dem Klischee der Zwangprostitution beschreiben. Sie haben gewissermaßen „freiwillig" nach einer Möglichkeit gesucht, um zu überleben. Unter ihnen befinden sich auch zahlreiche Studentinnen, die sich mit Sex-Arbeit ihr Studium finanzieren.
Die Themen Prostitution und Bordelle haben nicht selten einen Platz im italienischen Film bekommen. Manchmal in sozialkritischer Form, des öfteren aber als nostalgischer Rückblick wie in den Filmen von Federico Fellini.
„Die Nächte der Cabiria“ („Le notti di Cabiria") ist ein Spielfilm von Federico Fellini aus dem Jahr 1957. In dem Drama steht eine römische Prostituierte (gespielt von Fellinis Ehefrau Giulietta Masina) im Mittelpunkt, die trotz Enttäuschungen und Demütigungen ihre naive Hoffnung auf Liebe und Glück nicht aufgeben will.
Die Nächte der Cabiria - Bilder aus dem Film
Einen festen Platz nehmen in den Filmen Fellinis die erotischen Wünsche der pubertierenden Jünglinge ein. Im Film „Amarcord“ lässt sich ein Junge beim Reparieren des Fahrrads von einerhübschen Prostituierten mit einem Kuss überraschen, ein anderes Mal nutzt das örtliche Bordell eine Gelegenheit, um mit einer Kutschfahrt der Prostituierten Werbung für sich zu machen. Im Film„Roma“, hingegen, gehören deftige Bordellszenen sogar zu den Höhepunkten des Films.
„Mamma Roma“ (1962) ist ein Spielfilm von Pier Paolo Pasolini. Der Film handelt von der nicht mehr ganz jungen römischen Prostituierten „Mamma Roma“ (Anna Magnani), die sich nach einem bürgerlichen Leben für sich und ihren Sohn sehnt, der nichts von der Tätigkeit seiner Mutter weiß. Mit erspartem Geld kauft sie sich eine Wohnung und holt ihren Sohn zu sich. Mama Roma wird aber von ihrer Vergangenheit eingeholt ...
In „Adua e le compagne“ („Adua und ihre Gefährtinnen“), 1960 von Antonio Pietrangeli gedreht, geht es um Adua (Simone Signoret) und ihre jüngeren Kolleginnen, die sich, nachdem die italienische Regierung die Bordelle schließen ließ, sich nach einem neuen Job umsehen müssen.
In Mauro Bologninis „Arrangiatevi“ (Schaut, dass Ihr zurecht kommt / 1959) sucht Peppino Armentano (Peppino de Filippo) eine Wohnung für seine Große Familie. Er glaubt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, als er eine preisgünstige, sehr große Wohnung findet. Was er nicht weiß, ist, dass das Haus bis vor kurzem eine „casa chiusa“ beherbergt hat, was zu zahlreichen Missverständnissen führt.
„Die Unbekannte“ ist ein italienisch-französischer Spielfilm des Regisseurs Giuseppe Tornatore [] aus dem Jahre 2006. Die stille Ukrainerin Irena lebt in Italien undwird immer wieder von Angsterinnerungen aus ihrer Vergangenheit gequält. Der Film gewann in Italien 2007 fünf David di Donatello in den Kategorien Bester italienischer Film, Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin, Beste Musik und Beste Kamera.
DAS IST NUR IN ITALIEN MÖGLICH: Im kleinen Ort Mogliano (Veneto) beschloss die Gemeindeverwaltung, Verkehrsschilder aufzustellen, die vor der Anwesenheit von Prostituierten warnen. Dies sei notwendig geworden, so der Bürgermeister, weil an der Straße, die durch Mogliano fährt und nach Venedig führt, eine inzwischen auf mehr als 60 angewachsene Zahl von Mitgliedern des horizontalen Gewerbes steht, was wegen das verlangsamte Fahren der Autos von Freiern und Gaffern zu vermehrten Unfällen geführt hatte. Die Polizei verfügte zwar, dass das Schild entfernt werden müsse, jedoch will die Gemeindeverwaltung es wieder neu aufstellen.
Wie die italienische Zeitung „La Stampa" berichtet, denkt die Gemeindeverwaltung der 1.500-Seelen-Gemeinde Lombardore bei Turin (Piemont) daran, ein kommunales Bordell zu betreiben. Dies hätte den Vorteil, dass man der Straßenprostitution Einhalt gebieten und gleichzeitig die Steuereinnnahme des Ortes verbessern könne. Weil aber Bordelle in Italien nach wie vor verboten sind, will sich der Gemeinderat von Lombardore (Piemont) an das Parlament in Rom wenden.
Vino, Verdi, dolce vita: Warum wir Italien so lieben