Bambini |
Auch das ist ein Zeichen der
veränderten Situation der italienischen
Familie: Wer passt tagsüber auf die Kinder im Vorschulalter
auf? Laut einer Studie der Istat sind es in mehr als
50% der Fälle die Großeltern. 28% der Kinder
gehen in eine Kinderkrippe oder Kindergarten, auf
9,2% passt eine Tagesmutter auf, und nur in 7% der Fälle
ist es ein Elternteil (meist die Mutter). |
Das Sprachliche |
Kind heißt auf Italienisch
„bambino“, die Kinder sind „i bambini„.
Dazu gibt es auch die Form „bimbo“ (Achtung!
Das ist nicht die politisch unkorrekte Bezeichnung für
einen Schwarzen) mit „bimbi“ in der Mehrzahl.
Aber aufgepasst: „Bambini“ hat nicht die doppelte
Bedeutung des deutschen Wortes „Kinder": einerseits
„kleine Menschen" andrerseits „Söhne“,
„Töchter" bzw. „Nachkommen“.
Wenn ich auf Deutsch von „meinen Kindern" spreche,
können diese auch Erwachsene sein. Auf Italienisch muss
ich dann „i miei figli“ sagen. Das Wort Bambini bezeichnet also ausschließlich Kleinkinder. |
Wenn es ums Geschlecht geht, muss man im Italienischen
präzise sein: Bei den einzelnen
Kindern ist die Endung entscheidend: Mädchen enden
auf -a: la bimba, la bambina. Mehrzahl: „le bimbe, le bambine". Und bei den Jungen
ist es ein -o: il bambino. Mehrzahl: „i bambini". Letzterer Begriff ist auch der Sammelbegriff für alle Kinder,
egal ob Mädchen oder Jungen. |
Zu einem Neugeborenen sagt man „neonato„. Umgangssprachlich „bebé„. |
„Bambini“ bleiben die Kleinen in Italien nicht lange
- sehr bald nennt man sie „ragazzi“
(die Einzahl ist „il ragazzo“ bzw. „la
ragazza“). Ein entsprechendes Wort gibt es in der deutschen Sprache nicht. „Jungs" oder „Mädchen" sind Begriffe, die die größte Ähnlichkeit aufweisen: Aber
als „ragazzi“ können auch ältere junge Männer gelten. |
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Lieber Weihnachtsmann.
Hundert Briefe
italienischer Kinder |
Sciuscià (DVD) [] |
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Kinderliebe |
Als Kind in Italien aufwachsen
- das stellt man sich herrlich vor. Alles scheint sich in diesem Land um das Wohlbefinden der Kleinen
zu drehen, anders als im restlichen Europa. Wenn Kinder herumtollen
und lärmen, regt das keinen auf, im Gegenteil, sie sind sich des Verständnisses der Erwachsenen sicher. Und es ist auch selbstverständlich, dass
die Kleinen bis spät am Abend mit am Tisch sitzen. Ein „bambino“
verschafft einer Mutter sofort einen Sitzplatz im überfüllten Bus, wobei sich
dann nicht sie hinsetzt, sondern der Sprössling, sofern
er kein Baby mehr ist. Kinder beherrschen mit voller Lautstärke die Öffentlichkeit, das Familienleben und die Freizeitgewohnheiten. |
Kinder und Familie |
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Was allerdings
ausgedient hat in Italien, das ist die Großfamilie:
Die Zeiten, in denen verschiedene Generationen zusammen an einem
Tisch saßen, an dem jede Menge Kinder für Durcheinander
sorgten, gehören der Vergangenheit an. Die durch die Industrialisierung und
die Verstädterung verursachte Modernisierung
der italienischen Gesellschaft hat der Großfamilie den Garaus gemacht. Seit die Italienerinnen zunehmend berufstätig sind bzw. wegen der prekären wirtschaftlichen Situation berufstätig sein müssen, wird das Gründen einer Familie immer schwieriger. Außerdem sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gerade familienfreundlich: nur fünf Monate Mutterschutz und weder Karenzzeit noch Anspruch auf Teilzeitarbeit. Dies hat immerhin die Rolle der „nonne“ (Großmütter) aufgewertet, denn Krippenplätze sind rar und teuer. |
Entsprechend lagen bereits in den
1990er Jahren die Italiener am Ende von Europas
Geburtenzahlen. Die Geburtenzahl betreffend ist Italien immer noch das Schlusslicht Europas. Statistisch
gesehen hat eine Frau in Italien nur noch 1,2 Kinder, also weniger als die 1,5 Kinder des EU-Durchschnitts. Wie in vielen anderen europäischen Ländern
ist auch in Italien die „Kleinfamilie" zur Regel geworden. |
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Dennoch kann die italienische Familie
immer noch als Vorbild für Kinderliebe
gelten. Und selbst wenn die Geburtenrate eine andere Sprache zu sprechen scheint: Die Italiener bleiben kinderlieb, das merkt
man, wenn man mit den Kleinen unterwegs ist, egal ob in der Stadt
oder auf dem Land, im Norden oder im Süden. Der Kellner
im Restaurant ist immer noch recht geduldig den Kindern gegenüber und es ist nicht selten, dass Menschen mit Kleinkindern
mit: „Ma che carino!“ („Was für ein hübsches Kind“) angesprochen werden. |
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Die Kehrseite der Medaille |
Aus einer in mehreren europäischen
Ländern durchgeführten Studie geht hervor, dass
die italienischen Kinder in Europa wegen ihrer Ungezogenheit
nicht gerade beliebt sind. Die in Italien vergötterten
„bambini“ sind im Ausland ein Albtraum
für Hoteliers, Fluggesellschaften und Urlauber. Sie sind
laut, gehorchen selten und sind demnach zu einem Horror von
Kellnern, Stewardessen und Bademeistern geworden. 39 % der
in ganz Europa befragten Feriengäste, Reiseveranstalter
und Hoteliers sind der Ansicht, dass man den italienischen Kindern
am besten aus dem Weg geht. Französische Kinder, als Gegenbeispiel
werden von nur 26% der Befragten nicht gerne gesehen. |
Den italienischen Kindern wird vorgeworfen, im Flugzeug nicht
still zu sitzen, zu häufig zu weinen und zu laut zu sein.
In den Hotels spielen sie mit dem Lift, stören die Gäste
und belästigen die Feriengäste beim Mittagessen,
ergab die Studie. Kellner beklagen sich über ihre schlechten
Manieren. Die „bambini“ essen mit den
Händen, beschmutzen die Tischdecken und sind mit dem
Personal des Hotels ungezogen. |
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Findelkinder, Waisenkinder und Sozialwaisen |
Findelkinder („trovatelli“) und Waisen („orfani“) gelten im katholischen Italien seit eh und je als besonders schutzwürdig und hilfsbedürftig. Die ersten Findelhäuser zur Versorgung von Findelkindern entstanden in der Tat vor allem in Italien. |
Auch das erste Waisenhaus in Europa wurde in Italien gegründet, und zwar am 29. Mai 1343 in Neapel. Es folgte im Jahr 1346 das „Pio Ospedale della Pietà“ („Fromme Hospital der Barmherzigkeit“) in Venedig. Dieses Waisenhaus für Mädchen war zugleich auch eine Musikschule und die Mädchen wurden zeitweise auch von dem berühmten Vivaldi unterrichtet. Das Ospedale della Pietà diente zunächst als Waisenhaus sowie als Hospiz für ledige Mütter mit Säuglingen. |
Im Ospedale della Pietà befinden sich heute mehrere soziale Einrichtungen, wie beispielsweise Einrichtungen für die Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern, hilfsbedürftigen minderjährigen Schwangeren und Müttern mit Kleinkindern. Angeboten wird auch eine Babyklappe (culla segreta). |
Im heutigen Italien findet man eine große Anzahl solcher Institutionen. In der Casa famiglia Sicar in Mira, beispielsweise, können verlassene oder vernachlässigte Kinder und Jugendliche aus problematischen sozialen Verhältnissen aufgenommen werden, wo sie in familienähnlichen Gruppen betreut werden. |
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Fettnäpfchenführer Italien |
Bambini sind Balsamico
für die Seele |
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Auch die Institution „SOS-Kinderdorf" ist seit 1956 in Italien tätig. Zunächst wurde im Norden des Landes ein SOS-Ferienlager errichtet. Kurze Zeit darauf nahm die Organisation ihre Arbeit mit Kindern und ihren Familien in der Stadt Trient im Norden Italiens auf. Derzeit unterstützt SOS-Kinderdorf Kinder, junge Menschen und Familien an sieben Standorten in Italien. |
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In Italien wurden aufgrund eines Gesetzes alle Waisenhäuser bis zum 31. Dezember 2006 geschlossen. Ziel des Gesetzes war es, Kinder und Jugendliche ausschließlich in familienähnlichen Gruppen zu betreuen oder – wo möglich – bei Pflegeeltern unterzubringen oder auf Adoptionen zurückzugreifen. |
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Ein paar Daten |
Laut einer Studie verbringen italienische Kinder im europaweiten
Vergleich am wenigsten Zeit mit ihren Vätern. Durchschnittlich sollen es
nur 22 Minuten am Tag sein, verglichen mit den 57 Minuten norwegischer
Kinder und den 60 Minuten der schwedischen. In Deutschland ist
der Vater 55 Minuten für seine Kinder da, in Großbritannien
50, in Frankreich 38, in der Schweiz 37 Minuten.
Der Grund sei hauptsächlich die „Dominanz"
der Frauen in den Schulen und zu Hause. |
Italien ist besorgt wegen der stark zunehmenden Zahl von übergewichtigen
Kindern. 36 Prozent der Kinder um die zehn Jahre bringen zu viel
auf die Waage. Das ist der höchste Prozentsatz in der
EU. Laut einer Studie der Universität Turin
hat der Taillenumfang der Buben zwischen sechs und zwölf
Jahren bei gleicher Körpergröße in den letzten 30 Jahren um sechs Zentimeter
zugenommen. Bei den Mädchen seien es fünf
Zentimeter gewesen. |
Aus einer Studie der Universität Florenz geht hervor, dass die Hälfte der „bambini“
zwischen 7 und 11 Jahren bereits ein Handy besitzt.
100% der Teenager zwischen 14 und 18 Jahren besitzt ein
Mobilfunktelefon, was in Europa ein Rekord ist. |
35% der italienischen Kinder unter 13 Jahre benutzt bereits
das Internet. Dies geht aus einer Studie des Ministeriums für
Forschung hervor. |
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