I mammoni |
Laut Langenscheidt
„Muttersohn-Syndrom": Es kling wie eine Krankeit,
ist es aber nicht. Man spricht von mammismo, wenn die fürsorgliche
Allgegenwart der Mutter ausartet, und das Leben
vor allem der Söhne bis ins Erwachsenenleben hinein beherrschet. |
Sie machten vor kurzem mehrfach
Schlagzeilen: die schon längst beruflich auf eigenen Füßen
stehenden jungen Männer (und Frauen), die es vorziehen,
weiter bei ihren Eltern zu wohnen. |
„Mutti kocht, Mutti wäscht, Mutti putzt. Viele
Italiener logieren deshalb sehr lange im 'Hotel Mama'.“
So war es vor kurzem im Spiegel zu lesen, mit dem für
dieses Magazin üblichen abfälligen Ton.
Der Anlass war ein Vorschlag der Regierung in Rom, künftig
„Nesthockern“, die mit über 30 Jahren noch
bei den Eltern wohnen, zur Selbstständigkeit zu verhelfen.
Zu diesem Ziel sollten jungen Menschen billige Kredite zum Kauf von
Wohnungen gewährt werden. Zudem sollten jenen Wohnungseigentümern, die an junge Menschen vermieten,
Steuern erlassen werden. |
Womit man auch schon ein Teil der Erklärung für dieses Phänomen hat. Wenn man nämlich weiß, dass nur etwa 20% der Italiener in einer Mietwohnung lebt (im Vergleich
zu 60% in Deutschland) und dass deshalb der erste eigene Haushalt
oft mit dem Kauf einer Wohnung verbunden ist, und wenn man dazu auch weiß, dass die Preise auf dem
Wohnungsmarkt Italiens für die meisten Berufsanfänger
außer Reichweite sind, dann wird die Möglichkeit, längere Zeit im elterlichen Haushalt zu wohnen, schnell zur Notwendigkeit. |
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In einem weiteren, vermeintlich
satirischen, de facto aber sehr polemischen Artikel des selben
Magazins über die Italiener (es war kurz nach der WM!)
wurden die italienischen Männer pauschal als mammoni und
Parasiten bezeichnet. Die Polemik, die darauf folgte, zwang
die Redakteure des Spiegels schließlich dazu, sich
zu entschuldigen und eine andere Wortwahl zu benutzen. |
Statistiken sind zwar unterschiedlich interpretierbar,
einen gewissen Trend verzeichnen sie dennoch. Eine Studie
einer internationalen Online-Partneragentur ergab,
dass 83% der Italiener ohne Lebensgefährten und im Alter zwischen 25
und 34 noch bei den Eltern wohnten. Im europäischen
Schnitt liege dieser Prozentsatz bei 48%. Am selbstständigsten
seien die Singles in der Schweiz. Nur 26% von ihnen lebten noch
bei den Eltern. |
Nicht ganz so krass
sind die Ergebnisse einer von einem anderen Institut durchgeführten
Umfrage unter 2500 jungen Italienern (beiderlei Geschlechts)
zwischen 25 und 29 Jahren. Mehr als die Hälfte (57,3%)
von ihnen lebten noch bei den Eltern. Wobei es bei den Männern stärker
ausgeprägt sei als bei den Frauen (67.4% gegen 45.9%). |
In Deutschland hingegen leben 70% der jungen
Männer über 25 Jahren und sogar 90% der jungen Frauen längst
mit einem Partner, in einer Wohngemeinschaft oder alleine
in einem eigenen Haushalt. |
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Die Müßiggänger (I vitelloni) von Federico Fellini |
Erklär mir Italien!: Wie kann man ein Land lieben, das einen zur Verzweiflung treibt? |
Gebrauchsanweisung für Italien
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In Italien ist die Familie noch immer die vorherrschende
Form des Zusammenlebens und ausziehen tun die jungen Leute oft (aber nicht
ausschließlich) erst dann, wenn sie selbst
eine Familie gründen.
Im Deutschland haben erwachsene Kinder in Ausbildung
zudem einen Anspruch darauf, entweder von ihren Eltern
oder vom Staat (z.B. durch BaföG
oder Sozialhilfe) finanziell unterstützt zu
werden. In Italien ist dies nicht der Fall, die Förderung
der jungen Erwachsenen gilt eine reine Familienangelegenheit. |
Wenn man von mammismo spricht, bezieht man sich freilich
nicht nur auf dieses „Wohnproblem“. Unter mammismo
versteht man hauptsächlich das übermäßige
Umsorgtwerden italienischer Söhne (im geringerem Maß auch der Töchter)
durch die Mutter. |
Wegen der psychischen Abhängigkeit der Ehemänner
von der Mutter annullierte das Familiengericht des Vatikans
viele kirchliche Ehen. Allein 2005 erklärten die römischen
Richter der Sacra Rota 2005 insgesamt 69
Ehen für ungültig.
Als Grund galt, dass die mammoni nicht in der Lage gewesen seien, ohne Einmischung
der Mutter gemeinsam mit der Ehefrau Entscheidungen zu
treffen. |
Auch nach der Hochzeit ihrer Söhne spielen die italienischen Mütter für diese eine Hauptrolle. Mehr als 40% der verheirateten Männer unter
65 leben in Italien (laut dem nationalen Statistikinstitut)
weniger als ein Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt.
Gut 20% der Männer wohnt im selben Stadtviertel. Von denen, die sich weiter vom Elternhaus entfernt haben,
rufen immer noch 70 % ein Mal täglich die Mutter
an. Außerdem besuchen fast 80% der verheirateten Paare, die allein leben,
mindestens ein Mal pro Woche ihre Eltern. |
Man kann sich natürlich die
Frage stellen, ob dies wirklich so schlimm ist, wie von manchen
Soziologen unterstellt wird. Jedenfalls kommt es bei vielen Paaren oft deshalb zu einer Trennung, weil der Mann nicht wirklich zwischen
seiner Mutter und seiner Ehefrau unterscheiden kann. |
Interessant ist auch, dass nach der Trennung die meisten Männer
wieder bei ihrer Mutter einziehen. |
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