Geschichte | | Essen/ | | Regionale Küche | | Film/Medien | | Literatur/Presse | ||
Landschaften | | Trinken | | Persönlichkeiten | | Nützliches | | Wissenswertes | ||
Sprache | | Musik | | Kunst/Architektur | | H O M E | | |
Vietato |
||||||
Liberalitas Italiae | ||||||
Dem deutschen „Hinauslehnen verboten“ steht in den italienischen Eisenbahnwaggons noch immer der Hinweis entgegen „È pericoloso sporgersi“ (es ist gefährlich, sich hinauszulehnen). Man hätte früher sagen können: „Verbieten„? Das sei typisch deutsch. Das tolerantere „Empfehlen“ hingegen, typisch italienisch. Doch inzwischen hat sich etwas geändert in der „lässigen“, „toleranten" Republik. Durch eine steigende Zahl von „örtlichen Anordnungen" ist ein Berg von Verboten entstanden, der manchmal an der Liberalität Italiens starke Zweifel aufkommen lässt. | ||||||
Es ist unglaublich, was für fantasievolle oder gar absurde Einfälle manch ein Bürgermeister hatte, um – basierend auf einem Gesetz der Regierung Berlusconi des Jahres 2008 – „die Sicherheit und die öffentliche Ordnung“ zu gewährleisten. Beispielsweise darf man in Lerici (Ligurien) nicht im Badeanzug auf die Straße gehen und in Pordenone (Friaul) sollte man am besten nicht öffentlich mit der Verlobten streiten. | ||||||
Besonders viele neue Verbote gibt es in den Städten des Nordens, in denen – welch ein Zufall – die rechtspopulistische Lega Nord (die sich seit 2018 Lega nennt) einen sehr starken Einfluss hat und zahlreiche Bürgermeister stellt. | ||||||
Essen im Freien: Seit einigen Jahren gilt das Essen auf der Straße in zahlreichen Städten als Ordnungswidrigkeit, die mit saftigen Bußgeldern geahndet wird. Das gilt allerdings fast nur vor den berühmten Sehenswürdigkeiten wie dem Kolosseum in Rom. Wer sich dort niederlässt, um eine „pizza al taglio“ zu verspeisen, muss mit deftigen Strafen rechnen. Ähnliche Verbote gelten in Venedig, Rom, Florenz, Trapani und in vielen weiteren Städten. | ||||||
In Genua ist es im historischen Zentrum verboten, alkoholische Getränke in der Flasche herumzutragen. Sie dürfen nur in Taschen, also nicht sichtbar, transportiert werden. Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Geldbuße von bis zu 500 Euro rechnen. Mit dieser Maßnahme will man das Trinken alkoholischer Getränke und deren Folgen in der Öffentlichkeit verhindern. | ||||||
In Venedig ist es unter anderem untersagt, auf der Straße zu picknicken. Genauer gesagt ist „Essen und Trinken im Sitzen auf der Piazza San Marco und Umgebung" (außerhalb der Betriebe) verboten, und nicht anderswo. Es muss immer ein entsprechendes Schild dazu geben. Weil es sich um eine Verordnung der Gemeinde handelt, sind die "vigili" (Stadtpolizisten) bemächtigt, Strafzettel auszustellen, was sie aber nicht unbedingt tun. Ermessungsspielraum! Wenn man an die Touristenmengen denkt, die den Markusplatz, die „gute Stube Venedigs“, tagtäglich in einen „Abfalleimer" verwandeln, kann man für diese Maßnahme durchaus Verständnis haben. | ||||||
über solche Maßnahmen freuen sich klarerweise die Restaurant- und Barbesitzer. Die „Unsitte“ der „Panini to go“ und die Konkurrenz von Kebab-Läden und Mini-Markets schmälern deren Einnahmen. Nur schade, dass es besonders Jugendliche trifft, die sich die überteuerten Restaurants der Stadt nicht leisten können. | ||||||
Geldstrafen seien unoriginell, findet hingegen Dario Nardella, der Bürgermeister von Florenz. Er denkt über den Einsatz von Benimm-Stewards nach. Außerdem will er picknickende Touristen mit Wasser vertreiben. Seine neue Anweisung, die Treppen und Plätze vor einigen besonders bekannten Kirchen und Monumenten von Angestellten der Stadtreinigung mit Schläuchen und Hochdruckreinigern öfters fluten zu lassen, soll Touristen daran hindern, sich auf Treppen und Boden niederzulassen. Wasser verdampft im Sommer allerdings sehr schnell ... | ||||||
|
||||||
Aufenthalt im Freien: Vor der (allzu) berühmten Fontana di Trevi in Rom stehen die Menschen oft derart eng an eng, dass jegliche Kontrolle unmöglich ist. Unlängst gelang es zwei Personen, ungehindert nackt im spätbarocken Brunnenbecken zu schwimmen: "La dolce vita" lässt grüßen! Nun überlegt sich die Stadtverwaltung – höre und staune! –, das Stehenbleiben vor dem Brunnen zu verbieten: Vorbeigehen, schauen und ciao. | ||||||
Spielen im Freien: Von wegen „Italienische Kinder dürfen alles“. In Stradella (Lombardei) dürfen nur geräuschlose Spiele gespielt werden; in Livorno (Toskana) ist unter anderem das Seilspringen und das Klettern auf Bäume verboten; in Monteriggioni (Toskana) sollen Fußbälle für 30 Tage konfisziert werden, wenn sie aus privaten Hinterhöfen auf die Piazza fliegen. In Palermo (Sizilien) sind Spiele auf öffentlichen Flächen „absolut verboten“. Fußballspielen auf der Piazza? Früher eine Selbstverständlichkeit. Jetzt immer öfter verboten! | ||||||
Nur langsam kommt ein Gegentrend auf: Arciragazzi, eine Vereinigung zum Schutz von Kinderrechten, hat gegen all die Spielverbote eine Initiative ergriffen, die sich an der UN-Kinderrechtskonvention orientiert, die Kindern das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung zuspricht. | ||||||
Immerhin: Es gibt einen Ort in den Abruzzen, Tagliacozzo, wo zahlreiche Verkehrsschilder aufgestellt wurden mit dem Text: „Achtung, im Schritttempo fahren! In diesem Ort spielen Kinder noch auf der Straße“. | ||||||
In Pescopagno (Basilikata) ist es verboten "auf öffentlichem Grund Fahrrad zu fahren". Willkommen im 21. Jahrhundert! | ||||||
Das Füttern der Tauben auf dem Markusplatz in Venedig, das für so viele Fotomotive sorgte, hat eine lange Tradition. Ambulante Händler lieferten die Maiskörner dazu. Nun haben die Stadtväter von Venedig diese Handlung verboten: Schluss mit dem Taubendreck! 500 Euro Strafe gibt es, wenn man beim Füttern erwischt wird. Und den Händlern ist der Verkauf des Taubenfutters selbstverständlich auch verboten. | ||||||
Getränkedosen und -flaschen: In Triest hat Bürgermeister Roberto Cosolini eine Regelung eingeführt, laut der zwischen 23 und 5 Uhr Geschäfte, Cafés und andere Lokale in der Innenstadt keine Getränke in Flaschen und Dosen mehr verkaufen dürfen | ||||||
Kein kaltes Bier mehr in Rimini: In Rimini ist eine Verordnung in Kraft getreten, nach der in den Supermärkten und den sogenannten „minimarkets", den kleinen Verkaufsständen, die es in Italien an jeder Straßenecke gibt, keine gekühlten alkoholischen Getränke mehr verkauft werden dürfen. Das soll die Excesse des lebhaften Treibens der jungen Leute in Feierlaune im öffentlichen Raum, das nicht selten in lauten Gelagen und Raufereien endet, verhindern. | ||||||
|
||||||
Kebab-Verbot: In Capriate (Lombardei) und Crespi d’Adda (Lombardei) beschloss der Gemeinderat (in der Mehrheit Angehörige der Lega Nord), unter dem Vorwand, "den Charakter des historischen Zentrums zu bewahren", keine Lizenzen mehr für den Verkauf von "Kebab oder ähnlichem" zu vergeben. | ||||||
Burkini-Verbot: Das Verbot der Kebab-Stände betrifft zwar auch andere Fast-Food-Imbissstände, der Verdacht einer Kampagne gegen den Islam ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man weitere Maßnahmen wie beispielsweise das Verbot, Ganzkörperbadeanzüge (sogenannte Burkini) zu tragen, in Betracht zieht. Gianluca Buonanno, Bürgermeister von Varallo Sesia (Piemont), begründete das in öffentlichen Bädern, Flüssen und Seen geltende Verbot mit hygienischen Gründen und mit der Behauptung, dass das Burkini kleine Kinder beim Baden erschrecke (!). Der Verstoß kann mit 500 Euro Bußgeld geahndet werden. | ||||||
Burkini |
||||||
Fastfood-Verbot: Der Gemeinderat der Stadt Venedig begründete das Verbot des Eröffnens neuer Fast-Food- und Kebab-Schnellimbisse (das für zwei Jahre gilt) damit, dass die bunten Farben dieser Lokale nicht verträglich seien mit dem Stil und der Architektur der Stadt. Zudem würden die Touristen mit den Verpackungen von Pizzastücken und Hamburgern die Stadt verschmutzen. Ein Verkaufsverbot von Couscous und Kebab, aber ebenso von portionierter Pizza ist in Lucca (Toskana), dessen wunderschönes historisches Zentrum inmitten unversehrter Festungsmauern liegt, auch längst in Kraft getreten. | ||||||
Kleiderordnung: In Venedig ist es untersagt, mit entblößtem Oberkörper herumzulaufen und sich auf öffentlichen Plätzen hinzulegen. Um Verständnis für diese Maßnahmen zu haben, braucht man nur an den Sinn von Kleiderordnung im gesellschaftlichen Bereich zu denken. Früher war es beispielsweise undenkbar, ohne Krawatte in die Oper zu gehen! Die Nichteinhaltung geforderter Kleiderordnung konnte dazu führen, dass Besucher von Veranstaltungen, Festen oder Konzerten nicht eingelassen wurden. Wenn man an die Touristenmengen denkt, die dem Markusplatz durch allzu saloppe Kleidung und unzivilisiertem Verhalten die Würde nehmen, kommt auch hier Verständnis auf. Im Badeanzug oder mit bloßem Oberkörper darf man unter anderem auch in Cattolica (Emilia Romagna), auf Capri und in Positano (Kampanien) nicht in der Stadt herumlaufen. In den letzteren zwei Orten riskiert man saftige Strafen, wenn man auf der Straße mit Holzlatschen herumläuft - wegen des lauten Klapperns! | ||||||
Auf den Stränden: In Eraclea (Venetien) ist es untersagt, Fußball auf dem Strand zu spielen, Löcher in den Sand zu buddeln, Sandburgen zu bauen (wenn dies auf jenem Fünfmeterstreifen geschieht, der für Rettungseinsätze frei bleiben muss) und Muscheln zu sammeln. Letzteres aus ökologischen (!) Gründen. Dass man das Handy leise stellen, Musik nur mit Kopfhörern hören und Zigarettenkippen nicht im Sand zurücklassen soll, müsste eigentlich selbstverständlich sein.
Auf dem Strand Is Aruttas auf Sardinien wird an den Tagen an denen dieser überbevölkert ist, das Rauchen komplett verboten.
Auf dem Dante-Strand bei Ravenna gehen die Verbote noch weiter: Das Verteilen von Werbezetteln ist verboten, ebenso das Oben-ohne-Sonnen. In Forte dei Marmi (Toskana) hat der Bürgermeister an öffentlichen Stränden Massagen untersagt. Und wehe, man isst ein Sandwich auf einem Strand in Positano oder auf Capri.
Die Gemeinde Maruggio in der Provinz Taranto hat als erste in Italien hat die Verwendung von Luftballons auf den Stränden zum Schutz der Meeresbewohner verboten. Schildkröten, Pottwale und viele Meerestiere, die die Fragmente der Ballons mit Nahrung verwechseln, sterben daran. Obwohl der Grundstoff der Ballons (Naturkautschuck) biologisch abbaubar ist, führt die Beimengung von Weichmachern, Alterungsschutzmitteln und Stabilisatoren zu giftigen Veränderungen.
Achtung: Wenn man seinen Platz in der ersten Reihe auf dem Strand dadurch verteidigen will, dass man mit Sonnenschirmen, Liegestühlen und Tischen sein Revier markiert, muss man wegen „nicht ordnungsgemäßer Nutzung des öffentlichen Raumes" mit bis zu 200 Euro Strafe rechnen. Immer mehr Urlauber, die über Nacht die Strandplätze in der ersten Reihe besetzen, finden ihre Ausrüstung am nächsten Morgen nicht wieder, weil die Küstenwache bei einer morgendlichen Blitzaktion Sonnenschirme und Liegen eingesammelt hat.
Immer in Cattolica ist es nicht erlaubt, Tiere mit an den Strand zu nehmen, am Strand zu campen, Ball oder Boccia am Strand zu spielen und laute Musik zu hören. Dass Katzen und Hunde nicht unbedingt an den Strand gehören, das kann der Normalsterbliche immerhin noch nachvollziehen. |
||||||
Immer im Namen von Anstand und gegen Ortsverschandelung darf man in Lerici (Ligurien) nicht im Badeanzug auf die Straße gehen oder die nassen Handtücher auf den Balkon hängen. In Brescia (Lombardei) drohen 100 Euro Bußgeld, wenn man sich auf einer Piazza auf die Stufen eines historischen Monuments setzt. Nebenbei bemerkt: An öffentlichen Sitzbänken mangelt es in Italienischen Städten gewaltig! | ||||||
Tauben füttern: In Venedig und im toskanischen Lucca riskiert man bis zu 500 Euro Bußgeld, wenn man die Tauben füttert. | ||||||
Frage nach dem Sinn: Marco Michielli, Präsident der Hoteliersvereinigung Venetiens, fragt sich „wie man den Touristen alle diese Verbote bekannt machen will, zumal sie von Ort zu Ort verschieden sind“. Laut Michielli macht sich das ganze Ausland über Italien lustig, vor allem aber die Konkurrenz. | ||||||
Ein Lichtblick: Nach all den Verboten, bei denen viele den Verdacht aufkommen lassen, sie dienten vornehmlich dazu, die Kassen der Gemeinden aufzufüllen, endlich ein ohne Zweifel gutes Verbot: Seit dem 1. Januar 2011 ist in Italien der Verkauf von herkömmlichen biologisch nicht abbaubaren Plastiktüten verboten. Wenn man bedenkt, dass die Italiener pro Jahr 25 Milliarden von den aus Erdöl erzeugten Tüten bisher verwendet haben, ist das die gute Nachricht des Jahr! | ||||||