Sardinien (Sardegna) ist mit einer Fläche von 24090 km² nach Sizilien die zweitgrößte Insel im Mittelmeer. Mit rund 1,7 Millionen Einwohnern ist Sardinien aber wesentlich dünner besiedelt als Sizilien (5 Millionen Einwohner). Sardiniens Küstenlänge von fast 2000 Kilometern beherbergt noch unzählige unberührte Strände.
Intakte Natur, abwechslungsreiche Landschaft, einzigartige Flora und Fauna, lebendige Traditionen, Strände, die zu den schönsten der Welt gehören, im Landesinnere grandiose Gebirgslandschaften. Überall, so weit das Auge reicht, immergrüne Macchiasträucher, Berge und Wälder. Sardinien ist immer noch, mit nur 1,7 Millionen Einwohnern, das am wenigsten dicht besiedelte Gebiet Europas, in dem aber etwa doppelt so viel Schafe leben. Die Insel ist immer noch in weiten Gebieten beinahe unberührt geblieben.
Es ist leider nicht überall so. Seit über 50 Jahren wird Sardinien vom Militär und von Waffenherstellern benutzt, um Militärpersonal zu trainieren und neue Geschosse, Bomben und Drohnen zu testen. Alte Waffen, Munition und gefährliche Chemikalien werden verbrannt, gesprengt und begraben.
In einem etwa 120 km² großen Gebiet im Südosten der Insel lauert hinter der schönen Fassade eine schreckliche Gefahr. Seit Jahrzehnten häufen sich dort bei den Anwohnern und bei Tieren Fälle von Missbildungen, und die Sterblichkeit durch Krebserkrankung ist erschreckend hoch. Salto di Quirra ist ein 1956 in Betrieb genommener Truppenübungsplatz und ein Raketenstartplatz an der Ostküste Sardiniens. Der offizielle Name ist „Poligono Sperimentale e di Addestramento Interforze Salto di Quirra (PISQ)" zu Deutsch „Erprobungs- und Übungsplatz Salto di Quirra“. Das Übungsgebiet umfasst 116 km² Land und ein dem Raketenstartplatz Capo San Lorenzo vorgelagertes Seegebiet. Trotz der Bezeichnung als Truppenübungsplatz dient das Gelände in der Hauptsache zur Erprobung von Waffenmaterial. Die italienische Armee testet in Salto di Quirra in Zusammenarbeit mit Waffenherstellern Artilleriegranaten, Drohnen und lasergesteuerte Bomben, Raketen, die Asbest und weißen Phosphor freisetzen, sowie Uranmunition (mit abgereichertem Uran). In Salto di Quirra werden Tonnen alter Waffen und Munition mittels Sprengung und Vergraben entsorgt. Außerdem werden Luft- und Seeattacken auf die Küste simuliert und die Wirkung von Explosionen auf Panzerungen und Pipelines getestet.
Anfang der 1980er Jahre nutzte auch die deutsche Bundeswehr das Gelände mit dem Flugabwehrpanzer „Gepard“ für Übungen mit scharfem Schuss. Und auch heute nutzt die Bundeswehr noch sporadisch den Platz für Übungen für Auslandseinsätze.
In Quirra testet das italienische Militär zusammen mit Rüstungsfirmen aus anderen NATO-Ländern. Wer die nötigen Mittel aufbringt, darf hier alle möglichen Waffenversuche machen. 50.000 Euro pro Stunde sollen die Firmen an das italienische Verteidigungsministerium zahlen.
Bereits vor Jahren recherchierte der bekannte italienische Krimiautor Massimo Carlotto über einen Öko-Skandal von ungeheurem Ausmaß rund um Salto di Quirra. Es gab Missbildungen bei neugeborenen Menschen und Tieren sowie tödliche Krebsfälle bei Männern, die ihren Wehrdienst auf diesem Militärstützpunkt leisteten, oder bei Hirten des Umlands. 50 sind daran bereits gestorben. Unter den Ursachen sind die Treibstofftests sowie die Sprengung von unbrauchbaren Waffensystemen und Munition, die riesige Rauchschwaden erzeugen, zu vermuten. Auch Nanopartikel von Schwermetallen könnten für viele Krankheitsfälle in der Gegend verantwortlich gemacht werden. Carlotto schrieb über seine Erkenntnisse nur in Romanform, weil alles andere juristisch für ihn problematisch gewesen wäre.
ZDF-Dokumentation
Die Menschen in der Umgebung des Sperrgebiets protestieren seit Jahren immer wieder gegen die militärischen Übungen und Tests, bisher aber ohne nenneswerte Resultate.
Unter Verdacht stand auch die deutsche Rüstungsfirma MBB und die Luftwaffe der Bundeswehr wegen der DU-Munition aus abgereichertem Uran (depleted uranium), die panzerbrechende Eigenschaften hat. In den Boden geschossene Projektile sind eine potenzielle Bedrohung, weil sie in weniger als zehn Jahren korrodieren und dadurch das Uran ins Grundwasser gelangt.
Tödlicher Staub
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Anfang 2011 begann die Staatsanwaltschaft von Lanusei, der nächsten größeren Stadt, gegen die Betreiber des „Erprobungs- und Übungsplatz Salto di Quirra“ wegen des Verdachts auf Umweltverseuchung und fahrlässiger Tötung in zahlreichen Fällen zu ermitteln. Staatsanwalt Domenico Fiordalisi, der die Ermittlungen führte, vermutete, dass das gesamte militärische Sperrgebiet und die Grundstücke rund um das Gelände mit umweltschädlichen und krebserregenden Substanzen verseucht seien. Er setzte eine sehr umfangreiche Untersuchung in Gang.
Die Verdachtsmomente haben sich bestätigt. Die Kontamination des Gebietes ist außerordentlich hoch. Große Mengen von vergrabenem Müll enthalten Kadmium, Blei, Antimon und Napalm. An mehreren Stränden und im Wasser sind hohe Bleigehalte zu vermerken. Thorium, ein hoch radioaktives und stark kanzerogenes Element, das in militärischen Zieleinrichtungssystemen verwendet wird, wurde in Milch, Honig und anderen Lebensmitteln gefunden.
Die Knochen der gestorbenen Hirten wurden auf abgereichertes Uran und Thorium hin untersucht. Abgereichertes Uran wurde nicht gefunden, erhöhte Thorium-Werte allerdings schon. Der Thoriumgehalt auf dem Sperrgebiet ist dort erhöht, wo zwischen 1986 und 2000 mehr als 1000 MILAN-Raketen zum Einsatz gekommen waren.
Es soll unter anderem gegen Mitarbeiter des Prüfungsunternehmens Société Générale de Surveillance ermittelt werden, denen vorgeworfen wird, wider besseres Wissen dem Übungsplatz eine hohe Umweltverträglichkeit bescheinigt zu haben.
Ergebnisse? Es ist mit Quirra noch lange nicht zu Ende. Das Gelände wurde zwar für Menschen und Tiere gesperrt und soll saniert werden. Es wird aber weiter geschossen, wenn auch jene Waffenarten nicht mehr zum Einsatz kommen sollen, deren Rückstände für die Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich sind.
Und trotzdem: Die Insel ist immer noch zum größten Teil beinahe unberührt geblieben – ein wahres Juwel im Mittelmeer. Intakte Natur, abwechslungsreiche Landschaft, einzigartige Flora und Fauna, lebendige Traditionen, Strände, die zu den schönsten der Welt gehören. Letztere sind naturbelassene, weiße, teils kilometerlange Sandstrände, die sich mit felsigen, einsamen Buchten abwechseln.
Aufgrund dieser Schönheit und Vielseitigkeit ist Sardinien natürlich auch ein beliebtes Ziel bei Touristen. Ob Pauschal- oder Individualreisen, viele (aber nicht zu viele) Menschen verbringen ihren Urlaub auf der Insel. Und es wundert nicht, dass auch die KreuzfahrtindustrieSardinien für sich entdeckt hat und Mittelmeer-Kreuzfahrten anbietet, die auch Sardinien als Stopp beinhalten. Klar, dass man eine Mittelmeer Kreuzfahrt auch übers Internet buchen kann.
Man kann gar nicht genug von der Insel schwärmen. Immer ist das Meer smaragdfarben und sein Wasser kristallklar, man wähnt sich nicht selten in der Karibik. Granitformationen am Ufer faszinieren mit ihren bizarren Formen.