Das Dolce-Vita-Missverständnis |
La dolce vita (zu Deutsch: Das süße Leben) war zunächst der zum Kultfilm gewordener Film La dolce vita von Federico Fellini aus dem Jahr 1960. Darin ging es um das sinnentleerte Treiben der gelangweilten High Society im Rom der 1950er Jahre. Weltberühmt wurde die Szene mit Anita Ekberg im Trevi-Brunnen. |
Eines der Ereignisse, die Federico Fellini zu seinem Film inspirierten, war der Striptease der türkischen Tänzerin Aiche Nana am 5. November 1958 in einem Restaurant in Trastevere, dem Rugantino, in dem zahlreiche Prominente und der römische Adel den Geburtstag der Gräfin Olghina Robilant feierte. Das war damals ein Skandal. Die Darbietung wurde wegen sittenwidrigen Verhaltens durch die Polizei abgebrochen. Die Tänzerin wurde zu zwei Monaten auf Bewährung für Exhibitionismus verurteilt, obwohl es eine rein private Feier gewesen war. Diese Episode wird von vielen als der Anfang der Saison der „dolce vita“ betrachtet. |
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Der Titel des Films von Federico Fellini wird gerne dazu benutzt, um die angebliche Neigung der Italiener zum Müßiggang zu beschreiben. Von Italienfreunden wird der Begriff „Dolce Vita“ hingegen positiv aufgefasst, um die italienische Einstellung zum Leben zu definieren, um ein Lebensgefühl zu beschreiben, das von einer gewissen Lässigkeit und Lockerheit geprägt ist, die Stress und Hektik zweitrangig werden lassen. Mit Dolce Vita wird inzwischen im deutschsprachigen Raum fast ausschließlich der typische italienische Lebensstil definiert, bei dem das Genießen und die schönen Momente (vermeintlich) im Vordergrund stehen. |
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La dolce vita (Federico Fellini) |
Dolce vita für Fortgeschrittene
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Das Dolce-Vita-Prinzip. Die Leichtigkeit der italienischen Lebenskunst |
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Um es vorwegzunehmen: Diese Bedeutung von ansteckender Lebensfreude und von positivem, typisch italienischem Lebensgefühl hat die Redewendung in Italien nicht. Der Begriff weist vielleicht in der kollektiven Fantasie der Deutschen auf ein sorgenfreies Leben hin, das dem Vergnügen und dem Spaß gewidmet ist. Es handelt sich aber ausschließlich um eine deutsche bzw. nicht italienische Umdeutung/ Projektion. |
Der Begriff hat in Italien im Wesentlichen die sarkastische Bedeutung beibehalten, die der große italienische Regisseur ihm gegeben hat. Er steht für das dekadente, sinnentleerte Leben der wohlhabenden Gesellschaft, die versucht zu vergessen, indem sie sich der Rauschhaftigkeit des Lebens hingibt und ihren Verpflichtungen entzieht. Mit „Dolce vita“ wird in Italien auch die Zeit zwischen den späten 1950er und frühen 1960er Jahren bezeichnet, mit besonderem Bezug zur Stadt Rom. |
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Der Begriff "Dolce Vita" hat sich im deutschen Sprachraum immer mehr verselbstständigt und wird inflationär bei allen möglichen Gelegenheiten verwendet, selbst wenn es mit Italien und mit der italienischen Lebensart absolut nichts zu tun hat. So gibt es in Deutschland zahlreiche Hotels, die diesen Namen führen, Hunderte Dolce-Vita-Restaurants, in München ein Beautystudio Dolce Vita, ein Dolce-Vita-Tabledance Etablissement und eine Dolce Vita Private Seniorenbetreuung; in Freising gibt es eine Dolce Vita Showband, in Köln ein DV-Kosmetikstudio, in Mühlheim ein DV Jazzklub. Man findet beispielsweise – man braucht nur etwas zu googeln – ein Dolce-Vita-Reiseklub, eine Dolce Vita Papierunion, eine Herzstiftung Dolce Vita und eine Dolce Vita Hundeschule! Bei der Tomatensuppe Dolce Vita können Sie übrigens mit 100%iger Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um kein italienisches Produkt handelt. |
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„Dolcevita“ (zusammengeschrieben) hat übrigens in Italien auch eine weitere Bedeutung erhalten. Es steht für einen Rollkragenpullover, den Pullover nämlich, der in Fellinis Film vom Hauptdarsteller getragen wurde. |
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