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Die Verschandelung von Italiens Küsten |
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Italien hat atemberaubend schöne Strände und Landschaften, die dem Land von der ganzen Welt geneidet werden, wunderschöne Dörfer an den Küsten, die sich durch Geschichte, Kultur und Schönheit auszeichnen, eine Vielfalt von wunderschönen kleineren Inseln, die über das Meer verstreut sind, das „mare nostrum“ (unser Meer), wie es die Römer nannten. | ||||||
Die Umweltorganisation LEGAMBIENTE veröffentlicht alljährlich ein Dossier mit dem aussagekräftigen Namen „Mare monstrum“ (Monster-Meer), das die bedeutendsten Feinde von Meer und Küste Revue passiert. Dazu gehören neben Überfischung und Meeresverschmutzung auch immer die Sünden, die der Landschaft von der Bauspekulation im Allgemeinen und dem sogenannten „abusivismo edilizio“ im Speziellen angetan wurden. |
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Der Begriff kommt von „abusivo“ (gesetzeswidrig, illegal) und „edilizio“ (den Bau betreffend) und bezeichnet illegale private Bauten, die ohne Baugenehmigung errichtet wurden. Diese Bauten können Hotels, Touristensiedlungen oder private Villen sein, gemeinsam ist ihnen allen, dass sie die schönsten Landstriche Italiens verschandeln (natürlich nicht nur an der Küste, nur dort sind sie besonders auffällig). Die Komplexe verstoßen in der Regel gegen ganze Bündel von Naturschutzbestimmungen und Gesetze. | ||||||
Diese Bauten sind längst bleibender Bestandteil der italienischen Landschaft, besonders an den Küsten. Die mehr als 7.400 Km lange italienische Küste wird mehr und mehr ökologisch und baulich mit Wohn- und Ferienhäusern, Hotelkomplexen und Serviceeinrichtungen verschandelt, mit oder Genehmigung der Behörden.
Leider gibt es in Italien keine Anzeichen dafür, dass bei der Produktion von architektonischen Abartigkeiten und ihrer schädlichen Auswirkungen auf Landschaft und Umwelt ein Trend zur Abnahme besteht, auch wenn sich die große Mehrheit der Bürger längst dieses Problems bewusst ist. Man spürt zwar nicht das utopische Bedürfnis nach unberührter Landschaft, aber immerhin nach einer Landschaft, die von den schlimmsten Bausünden „bereinigt" wird. |
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Allein in den letzten paar Jahren wurden 4000 Verstöße gezählt, aber es gibt immer noch Bauherren, die für ihre Bauten in Gebieten, für die ein absolutes Bauverbot besteht, eine nachträgliche amtliche Genehmigung verlangen. | ||||||
Den illegalen Bauherren wird es mit einem in Abständen immer wieder gewährten „condono“, einer Art Amnestie für alle Bausünder, sehr leicht gemacht. Wer ohne Genehmigung ein Ferienhaus mit Meeresblick, eine Pension oder gar ein großes Hotel gebaut hat, konnte damit durch Selbstanzeige und Zahlung eines geringen Bußgeldes sein Gesetzesverstoß nachträglich legalisieren. | ||||||
2010 war es sogar Ministerpräsident Berlusconi, der mit solch einem „condono“ die Klientel seiner Partei (und vermutlich sich selbst) damit bediente. Ein „condono“, das vordergründig der Sanierung des Staatshaushalts dient, sei nichts anderes als eine "staatliche Aufforderung zum Gesetzesbruch", äußerte einmal ein Sprecher der LEGAMBIENTE. | ||||||
Es gibt auch (wenige) gute Nachrichten. So wurde 2006 in der Küstenstadt Bari eine scheußliche Bausünde gesprengt. Der Anfang der 1990er Jahre begonnene Bau „Punta Perotti“ stand nur wenige Kilometer vom Zentrum der süditalienischen Stadt als riesiger „ecomostro“ (Öko-Monster) am Meer. | ||||||
Die Bauherren hatten aber eine Vorschrift missachtet, nach der auf den ersten 300 Metern vom Ufer entfernt nicht gebaut werden darf. Umweltschützer hatten jahrelang gekämpft, bis die Justiz endlich den Abriss des Baus anordnete. Der Bau war zum Symbol für das wilde Verbauen von Küstenzonen geworden, von dem vor allem Süditalien betroffen ist. |
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Sprengung des „Öko-Monster" von Alimuri |
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Kampanien weist laut LEGAMBIENTE die höchste Zahl an „Öko-Monstern" auf, ganze 673. Kalabrien ist auf Platz 2 mit 650 Verschandelungen, unmittelbar gefolgt von Sizilien mit 617 Bauten. Bei diesem Zensus handelt es sich ausschließlich um illegale Bauten, während die Zahl der zwar „legalen" Bauten, die aber mit gleicher Überdimensionierung oder Hässlichkeit die Küsten verschandeln, nicht erfasst wurde. | ||||||
Zu den schlimmsten Verschandelungen zählt das Hotel Alimuri in Vico Equense, das die Küste bei Sorrent bereits seit Jahrzehnten entstellt, die Villen („palazzine“) von Lido Rossello (Sizilien), der sogenannte Pfahlbau von Falerna (Kalabrien), die 2800 illegalen Gebäude (!) einer Feriensiedlung von Torre Mileto (Apulien) und die Bauruine auf der Insel Palmaria (Ligurien), die schließlich aber gesprengt wurde. | ||||||
Sprengung auf der Insel Palmaria/Portovenere | ||||||
Diese „Öko-Monster" sind keineswegs ausschließlich Bauruinen, viele davon sind bewohnt oder/und wirtschaftlich genutzt. Außerhalb Italien würde man sich fragen, wie es überhaupt möglich ist, dass noch Jahrzehnte nach der Errichtung solch illegaler Bauwerke, sie immer noch stehen und die Behörden nicht eingegriffen haben. | ||||||
Der Süden Italiens ist in diesem Bereich leider das schwarze Schaf des Landes. Das ist zum großen Teil auf die organisierte Kriminalität zurückzuführen, die bekannterweise ganz und gar nicht ausgerottet ist. Der Staat scheint machtlos zu sein. | ||||||
Allein in Kampanien wurden in den letzten 15 Jahren nur 2 % der 11.000 behördlichen Erlasse einer Abrissverfügung ausgeführt. Erstaunlicherweise macht Sizilien eine Ausnahme mit 1% ausgeführten Abrissen. Friaul schneidet in Italien am besten ab mit 45 % Abrissen. | ||||||
Sprengung des „Ecomostro" bei Punta Perotti |
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Leider sind die illegalen Bauten nur ein Teil des Problems. Die Küsten Italiens sind seit dem Bauboom der 1960er Jahre längst stark verbaut. Die Opposition seitens der Umweltschützer brachte nicht viele Erfolge. Ab und zu gab es zwar positive Ansätze. So verbot 2004 der damalige Präsident der Region Sardinien, Renato Soru, jede Bautätigkeit in einem zwei Kilometer breiten Küstenstreifen. | ||||||
Die Lobby der Baubefürworter schaffte es aber mit dem Gespenst der negativen Folgen für den Tourismus eine große Opposition zusammenzuschmieden, sodass bei den folgenden Regionalwahlen Soru abgewählt wurde. | ||||||
Ein Wunder also, dass Italiens Küsten noch nicht das Schicksal der total zersiedelten spanischen Mittelmeerküste erlitten haben und es, vor allem im südlichen Apulien, in Kalabrien, auf Sizilien sowie auf Sardinien noch wunderschöne Strände und Küstenabschnitte gibt. Am jungfräulichsten sind bisher die Küsten Sardiniens geblieben. | ||||||